Engel gibt es nicht

■ In Thailand erringen die militärkritischen Parteien bei den Parlamentswahlen einen Sieg

Engel gibt es nicht In Thailand erringen die militärkritischen Parteien bei den Parlamentswahlen einen Sieg

Die Armee wird sich nicht in die Regierungsbildung einmischen, haben führende Militärs noch am Wahltag versprochen. Übergangspremier Anand, vom König nach dem Massaker vom Mai eingesetzt, hat sogar erklärt, ein erfolgreicher Militärputsch sei nicht mehr zu befürchten. Haben es die DemonstrantInnen vom Mai dieses Jahres schließlich geschafft, die Militärs davon zu überzeugen, daß ihr Selbstbild als „Garant der nationalen Interessen“ überholt ist? Ist Thailand, Entwicklungsland mit hohen Wachstumsraten und einer aufstrebenden Mittelschicht, also auf dem Wege zu einer zivilen Gesellschaft?

Das scheint denn doch zu optimistisch. Zwar hat die thailändische Bevölkerung der Oppositionsallianz bei den Wahlen vom Sonntag eine — hauchdünne — Mehrheit verschafft. Und gewiß hat der Zorn vieler ThailänderInnen auf die Militärs dazu beigetragen. Letztere haben sich bislang nicht dazu bewegen lassen, Verantwortung für das Massaker zu übernehmen oder sich zu „entschuldigen“. Doch die „Engel“ — so nannten die thailändischen Medien die Oppositionsparteien, die den Rückzug der Generäle („Teufel“) aus der Politik zu ihrem wichtigsten Wahlkampfthema gemacht hatten — sind so rein nicht. Nicht alle von ihnen wollten auf den Stimmenkauf ganz verzichten. Und Chuan Leekpai, Chef der bei den Wahlen als stärkste Partei hervorgegangenen „Demokratischen Partei“, war während der Proteste im Mai für seine anfänglich nur lauwarme Kritik an den Militärs nicht unumstritten.

Aber vielleicht ist es gerade diese Haltung, die ihn zum neuen Premierminister qualifiziert, wenn er die Oppositionsallianz zu einer Regierungskoalition zusammenbringen kann. Anders als der ehemalige Gouverneur Bangkoks, der mit seinem Hungerstreik und seinem märtyrerhaften Auftreten während der Unruhen in der Bevölkerung nicht nur Zustimmung fand, symbolisiert er den Kompromiß. Und damit könnte er für die Generäle gerade noch akzeptabel sein. Das ist in der gegenwärtigen Situation nicht zu unterschätzen, denn viele ThailänderInnen teilen Anands Zuversicht über das Ende der Ära militärischer Putsche nicht. Anschläge und Morddrohungen gegen die Oppositionspolitiker, die militärischen Untergrundgruppen zugeschrieben werden, haben ihre Skepsis nur noch bestärkt. Nachdem die Militärs das Land sechzig Jahre lang im Griff hatten, haben sie nun sehr viel zu verlieren. Sie werden sich ihre Pfründe nicht ohne Gegenwehr nehmen lassen. Der Prozeß der Demokratisierung und „Zivilisierung“ wird langwierig und mühsam. Jutta Lietsch