Knapper Sieg der „Engel“ in Thailand

■ Bei den Parlamentswahlen konnte die Gruppe der militärkritischen Parteien 185 von 360 Sitzen gewinnen/ „Kompromißfähiger“ Chef der Demokratischen Partei will Koalitionsregierung bilden

Bangkok (AFP/taz) — Nach dem knappen Sieg der pro-demokratischen Parteien bei den Parlamentswahlen in Thailand haben gestern schwierige Koalitionsverhandlungen begonnen. Die vier Parteien der militärkritischen Opposition, die in den thailändischen Medien als „Engel“-Parteien bezeichnet werden, haben gemeinsam 185 der 360 Sitze gewonnen. Noch ist unklar, ob der Chef der Demokratischen Partei (DP), Chuan Leekpai, versuchen wird, eine weitere Fraktion an der Regierung zu beteiligen. Die DP zieht mit 79 Mandaten als stärkste Gruppe in das neue thailändische Parlament ein.

Der 54jährige Rechtsanwalt Chuan hat in früheren Regierungen bereits mehrere Ministerposten innegehabt und war einmal Vizepremier. Er gilt als „sauberer“ Politiker, wird aber für wenig durchsetzungsfähig gehalten. Chuan versprach, er wolle eine Regierung ohne korrupte Minister zusammenstellen und die Politik der wirtschaftlichen Liberalisierung der Übergangsregierung fortsetzen.

Am Morgen trafen sich die Generalsekretäre der vier pro-demokratischen Parteien zu ersten Verhandlungen. Zuvor war das vorläufige Endergebnis der Wahlen veröffentlicht worden. Danach erhielt die pro- demokratische „Partei der Neuen Hoffnung“ des früheren Oberbefehlshabers der Streitkräfte, Chavalit Yongchaiyut, 51 Sitze. Die „Moralische Kraft“ (Palang Dharma) des „Saubermannes“ und früheren Gouverneurs von Bangkok, Chamlong Srimuang, errang statt der erhofften 60 nur 47 Mandate.

Chamlong und Chavalit hatten im Mai die Proteste in Bangkok angeführt, in deren Folge die Regierung von General Suchinda Kraprayoon abgesetzt worden war. Als vierte und kleinste pro-demokratische Partei zieht die „Solidaritätspartei“ mit acht Sitzen in das Parlament ein.

Als Koalitionspartner angeboten hat sich bereits der frühere Ministerpräsident Chatichai Choonhavan, dessen „Partei für Nationale Entwicklung“ (Chart Pattana) mit 60 Mandaten drittstärkste Fraktion im neuen thailändischen Parlament ist. Chatichai war im Februar 1991 durch einen unblutigen Militärputsch gestürzt worden. Später war er von einer Sonderkommission der Militärregierung der Korruption schuldig gesprochen worden — er sei während seiner Amtszeit „ungewöhnlich reich“ geworden, hieß es.

Auch die Liberaldemokratische Partei, die acht Sitze errang, wurde am Montag als mögliche Koalitionspartnerin für die „Engel“-Parteien gehandelt. Trotz eines mit großem finanziellen Aufwand geführten Wahlkampfes — die für Stimmenkauf investierten Summen sind im Verhältnis zu früheren Wahlen noch gestiegen, sagen WahlbeobachterInnen — wurde die militärfreundliche Nationalpartei (Chart Thai) mit 77 Sitzen nur zweitstärkste Fraktion im neuen Parlament Thailands. Sie hatte gemeinsam mit anderen pro-militärischen Parteien im April die Ernennung Suchinda Kraprayoons zum Ministerpräsidenten durchgesetzt.

Die ebenfalls als dem Militär nahestehend bekannte Partei der Sozialen Aktion erhielt bei den Wahlen am Sonntag 22 Mandate. Die pro-militärischen Parteien waren im Wahlkampf als „Teufel“ abgestempelt worden.

Positiv reagierten die thailändischen Geschäftsleute und Investoren auf den Wahlsieg der pro-demokratischen Parteien. Der Index der Bangkoker Börse stieg um zwei Prozent und schloß mit einem Plus von 16,05 Punkten gegenüber dem Freitag. „Die Demokraten sind eine relativ gemäßigte Partei und werden vermutlich die Politik der Anand-Regierung fortsetzen“, sagte ein Börsenmakler in der thailändischen Hauptstadt. Anand Panyarachun hatte von Juni an eine vorwiegend aus Technokraten zusammengesetzte Übergangsregierung geleitet. Unter seiner Führung waren binnen weniger Monate Militärs, die an der blutigen Niederschlagung der Mai-Demonstrationen beteiligt gewesen sein sollen, aus wichtigen Posten in Armee und Wirtschaft entfernt worden. Zudem hatte die Regierung eine Verfassungsänderung durchgesetzt, die nun nur einen Ministerpräsidenten zuläßt, der in das Parlament gewählt worden ist. li