Musik zwei drei vorbei

■ Die Bremer Jugend- und Volksmusikschule sieht ihre Arbeit gefährdet

900 der insgesamt 3.500 SchülerInnen der Jugend- und Volksmusikschule Bremen (JVM) haben aufgrund der drastischen behördlichen Sparmaßnahmen seit August diesen Jahres keinen Musikunterricht mehr.

Vor allem die ganz Kleinen im Alter von sechs bis acht Jahren müssen auf eine Grundausbildung verzichten. Die musikalische Früherziehung und der Anfangsunterricht für Instrumente wie Blockflöte, Geige, Cello und Gitarre fällt aus. Die mit jährlich rund 50.000 ZuhörerInnen sehr erfolgreichen Jugendorchester in den einzelnen Stadtteilen sind betroffen, der „Rock-Shop“ in der Neustadt muß vermutlich geschlossen werden. Schulleitung und Elternrat (letzterer in einem offenen Brief an Senatorin Trüpel) sehen die musikalische Nachwuchsförderung in einem untragbaren Ausmaß gefährdet.

„Ich bin verbittert und geladen“ sagt Heiner Buhlmann, Direktor der Jugend- und Volksmusikschule. „Wir haben unseren kulturellen Auftrag voll erfüllt. Das Verhalten der Kulturbehörde ist mir angesichts der großen Bedeutung unserer Schule völlig unverständlich.“ Für die JVM gilt, ebenso wie für viele andere kulturelle und soziale Institutionen in Bremen, ein genereller Einstellungsstop.

So hat sich zwar im Oktober eine langjährige Honorarkraft das Recht auf eine Festanstellung nach BAT in einem Musterprozeß erklagen können, neue Einstellungen nach BAT aber sind nicht möglich. Das wiederum hat auf die Anwerbung von Honorarkräften einschneidende Folgen. In einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes von 1989 nämlich wurde verfügt, daß Honorarkräfte nach einer gewissen Frist fest angestellt werden müssen. In anderen Bundesländern wurde dieses Urteil längst umgesetzt, nicht aber in Bremen.

Die Folge ist: qualifizierte Honorarkräfte meiden den unsicheren Arbeitsplatz in Bremen und wandern statt dessen zum Beispiel an die Kreismusikschule in Verden/ Niedersachsen ab. 11 Honorarstellen an der JVM sind momentan nicht besetzt.

Die Kulturbehörde fühlt sich nicht verantwortlich für den Engpaß in der Jugend- und Volksmusikschule. „Es gab schon immer heftige Fluktuationen unter den Honorarkräften der JVM“, so Pressesprecherin Babara Loer, „Neueinstellungen sind Sache der Schulleitung. Wenn die das nicht hinkriegt, ist das nicht ein Problem unserer Behörde.“

Genau das ist es aber nach Ansicht der Schulleitung und des Elternrates der JVM doch. Die Verträge für Honorarkräfte sind, um eine Festeinstellung umgehen zu können, befristet bis zum 31.7.93. Darauf lassen sich höchstens unausgebildete StudentInnen oder Ruheständler ein, die so nicht für die anspruchsvolle Unterrichtsarbeit einsetztbar sind.

„Ich habe die Vermutung, daß die JVM entscheidend verkleinert werden soll. Das aber“, erklärt Direktor Heiner Buhlmann, „hätte katastrophale Auswirkungen auf den Anspruch und die Möglichkeiten unserer breitenkulturellen Arbeit und würde den bundesweiten guten Ruf unserer Schule zerstören.“

Die betroffenen Eltern haben das ganze Ausmaß des Unterrichtsausfalls in kürzlich begonnenen Schuljahr noch gar nicht richtig realisiert. Es ist aber eine breite Protestwelle zu erwarten. Schon im letzten Jahr hatten rund 200 Eltern mit Prozessen gedroht, wenn die zweijährigen Unterrichtsverträge nicht eingehalten würden. Nur eine vorläufige und inzwischen hinfällige Beschwichtigung von Kulturbehörde und Schulleitung hatten das bisher verhindert.

Cornelia Kurth