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Pop ohne Rock

■ Die Junge Deutsche Philharmonie spielt Zappa

Der Schleim kam nicht nur aus dem Radio, das Getöne ohne Geschmack, dem Frank Zappa einen seiner besten Songs gewidmet hat. Er hat auch selber welchen komponiert. Wie lange ist das her? Die Junge Philharmonie, die Montag nachmittag zum Gratiskonzert lud — auch das ist möglich in den Berliner Festwochen —, mag nicht nachrechnen. Für sie ist er noch immer jung, und um ihn ganz nah werden zu lassen, ließen sich drei Musiker befragen, lasen vor, was der Bürgerschreck vor amerikanischen Richtern und Interviewern sagte. Er hatte ja so recht. Verlogen und vom Geld korrumpiert ist die ganze Gesellschaft. Aber im Konzertsaal der Hochschule der Künste beißt das niemanden mehr. Dann wirft einer das Band an, es zappt, ein anderer zupft glücklich an seiner Geige herum: die Junge Deutsche Philharmonie will nicht in die Klassik-Ecke will abgeschoben werden. Sie ist jung.

Nur Zappa ist das nicht mehr. Er leidet an einem Mißverständnis. Rockmusiker war er ja nie, er wollte bloß Komponist werden. Heute darf er es sein, in der Frankfurter Oper wird sein Orchesterstück »Yellow Shark« uraufgeführt, die Premiere ist ein gesellschaftliches Ereignis. Zeit also für einen Rückblick auf den anderen Zappa, den eigentlichen. Sein »Bogus Pomp« ist ein ziemlich formloses Stück aus den Zeiten des Films »200 Motels«; kurze Passagen umschreiben Film- und Tanzmusiken der fünfziger Jahre, Geigen schwelgen, Blech glänzt und noch falscher klingt das Kunstgewerbe einer gemäßigten Moderne. Zappa selbst ist ein Meister dieses Handwerks, seine Revue der Geschmacklosigkeiten bohrt sich hemmungslos ins Gehör, läßt aber der Einsicht Raum, daß die Begriffe »Pop« und »Rock« nichts miteinander zu tun haben. »Bogus Pomp« ist Pop, nämlich weniger polemische als faszinierte Inszenierung schrecklich bunter Oberflächen. Nur darin liegt heute noch ästhetische Irritation. Vielleicht hat das die Junge Deutsche Philharmonie gespürt, als sie das Bedürfnis empfand, kritische Worte des Meisters vorzulesen. Die Partitur war einstudiert, nun fehlte plötzlich etwas: der Ernst. Zappa mochte den Schleim pur. Niklaus Hablützel

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