"Ihr macht schon eine feine Zeitung"

■ betr.: Abo-Kampagne

betr.: Abo-Kampagne

Jetzt habt Ihr mich doch „rumgekriegt“! Und ich habe Anlaß, endlich mal zu schreiben, nachdem immer wieder LeserInnenbriefe — zornige — im Kopf geblieben und dort verraucht sind, weil frau kommt da dann doch immer nicht dazu...

Die Berichterstattung zum Krieg im ehemaligen Jugoslawien und vor allem zu Rostock und dem, was drumherum und danach passierte beziehungsweise nicht passierte, die hat mir gut gefallen bzw. gefällt noch und hat zu meiner Entscheidung beigetragen. Aber:

1.Warum macht Ihr ekelhafte Balkenüberschriften im Tenor und (im Verhältnis zum Format) in der Größe des Bild-Schweineblatts? Gefällt mir nicht!

2.Warum seid Ihr, obgleich es Euer Anspruch ist (oder jedenfalls mal war), so wenig frauenfreundlich bzw. sogar frauenfeindlich? Ihr als SchreiberInnen wißt, wie wichtig Worte sind; ich vermisse immer häufiger die weibliche Form — nicht nachlassen! Ich bestehe ja gar nicht darauf, nur die weibliche Form zu lesen (obwohl ich das legitim fände und mir viel Spaß machen würde), aber bitte doch auch! Und IMMER! Und eine neue Frauenseite, bitte.

3.Warum müßt Ihr partout bei Raub, Drogendelikten, Vergewaltigungen etc. die Nationalität der TäterInnen angeben? Finde ich ausgesprochen ausländerInnenfeindlich!

4.Warum erklärt Ihr Eure LeserInnenschaft für „blöd“? Letztes Beispiel: Samstag, 5.9., Seite 2: „...und wem es jetzt zu kompliziert wird, der darf aufhören zu lesen...“

Abgesehen davon, daß Frauen anscheinend sowieso schon sich nicht zu interessieren scheinen für die Finanzsituation der taz, denn wir werden gar nicht erst angesprochen — wozu diese Bemerkung?

Mehr fällt mir im Augenblick nicht ein und trotzdem — Ihr macht schon eine feine Zeitung!

Einen Gruß an Elke Schmitter für ihre „Zehn sanften Sätze für die tageszeitung, die eigentlich eine Rose ist“. Schön, wenn einer/einem beim Zeitunglesen eine Gänsehaut den Rücken hinunterrieselt und die Härchen sich aufstellen, als wäre es die Lieblingsstelle im immer wieder gelesenen Lieblingsroman! Bärbel Osberghaus, Hamburg

[...] Ich hätte schon längst ein Abo, (und damit, wegen der 20 DM- Gutschrift, auch mehr Zinsen auf den Genossenschaftsanteil), wenn mir die taz frühmorgens gebracht würde. Selbst wenn Hamburg 60 morgens gegen sieben Uhr bedacht würde — ich gehe um sechs Uhr aus dem Haus zur Arbeit [...] und möchte verständlicherweise die ersten Seiten in der Bahn auf dem Hin- bzw. Rückweg lesen. Mit einer taz, die bei meiner Rückkehr im Briefkasten liegt, kann ich somit nur wenig anfangen. [...]

In der Hoffnung, daß mir die taz bis zur Pensionierung die Bahnfahrt verkürzt (nur noch 40 Jahre und zwei Monate!) und daß es Abos für nachtaktive Staatsdiener gibt (inklusive zwei Prozent Zinsvorteil — noch'n Privileg...) Olaf Ziemßen, Hamburg

Die taz ist so gut geworden, daß sie sich eine ganze Schicht neuer Leser erschließen kann. Aber der geistig bewegliche Leser ist auch physisch beweglich, geht, fährt, reist und fliegt und hat nicht das Verlangen des Spießers, ob rot oder grün, jeden Morgen seine Zeitung auf dem Kaffeetisch vorzufinden. Diese Leute haben Sie sicher schon erreicht, und Werbung für jedes weitere Abo wird unverhältnismäßig teuer.

Eigentlich müßte und könnte jeder Bundesbürger die taz lesen. Da Sie nicht erwarten werden, daß ein Leser — ob Abonnent oder Kioskkäufer — der Süddeutschen oder der Frankfurter Allgemeinen, noch weniger der Frankfurter Rundschau, nun von einem auf den anderen Tag auf die taz umsteigt, können Sie ihm die taz nur als Zweitzeitung verkaufen. In artiger Form könnten Sie damit werben, daß sich Zweitwohnung, Zweitwagen, Zweitrad und ZweitmannFrau schon hervorragend bewährt haben und die Zweitzeitung heute einfach zum Zeitgeist gehört.

[...] Die taz kann sich in der Unabhängigkeit ihrer Berichterstattung und der Souveränität ihrer Kommentare allmählich mit La Repubblica, El País und Libération messen. Keine andere deutsche Zeitung kommt auch nur in die Nähe einer journalistischen Qualität, bei der nach dem gefragt wird, was nicht in den Pressemitteilungen von Parteien, Behörden und Betrieben steht. Der hohe Standard des Feuilletons ist sowieso unbestritten. Auch da liegt Argumentationshilfe für die Notwendigkeit der Zweitzeitung. Dr.Achim Schneider, München

Nicht nur meiner Auffassung nach ist eine Ursache des Rückgangs der taz- Auflage in der unausgewogenen, bisweilen einseitigen politischen Orientierung und vor allem Kommentierung in der taz der letzten Jahre zu sehen. [...] Ich teile die Auffassung von Altvater/Eisenberg u.a. nicht, die taz sei „eine politische Zeitung der Linken“; die taz ist eher „viel zu sehr eine ,normale Zeitung‘ (Rediske) geworden, geschätzt von den Machern der FAZ bis zum Spiegel.

Ich erwarte von der taz, abgesehen von einer zuverlässigen Berichterstattung, einen Pluralismus der Meinungen von liberal bis links-sozialistisch, wobei linke Auffassungen ohne abwertende Kommentierung abgedruckt werden sollten.

Informativ und aufklärend fand ich die Berichterstattung über Rostock, aber die taz braucht mehr Hintergrundberichte über die wirtschaftliche, soziale (vor allem Frauen) und mentale Situation in der neuen Bundesrepublik, die Darstellung der sozialen Umbrüche und Verwerfungen in den neuen Bundesländern und eine Diskussion von unterschiedlichen Lösungsansätzen. [...]

Ich wünsche Euch die Meisterung der schwierigen Entwicklung, dazu erscheint mir aber eine veränderte Akzentsetzung im oben genannten Sinne erforderlich zu sein. Als Abonnent und Gesellschafter der taz ist mein weiteres Engagement für die Zeitung abhängig von einer deutlicheren Orientierung an „Emanzipation, Selbstbestimmung, Gerechtigkeit und Solidarität“. Jürgen Horstmann, Berlin

Ihre Kettenbriefaktion zur Werbung neuer, notwendiger Abonnenten finde ich gut. [...] Eben las ich, daß die taz darunter leide, keine so richtige Lokalzeitung zu sein. Ich denke, wenn Sie die Lokalität von Berlin auf Brandenburg erweitern würden, käme vielleicht doch einiges heraus. Kirchlicherseits ist zum Beispiel das Berlin-Brandenburgische Sonntagsblatt auch ein wenig Lokalblatt — dies nur als Hinweis.

Ich möchte Ihnen ein Angebot machen. Zu unten stehendem Konzert in unserer Kirche werden auch CDs und Kassetten verkauft. Eine taz daneben will ich nicht verkaufen — zumal am Abend! Aber wie wär's, wenn Sie einen Packen Zeitungen zum Verteilen, sprich Kennenlernen schicken, dazu die Abo-Einladung. Es wäre eine Möglichkeit, die taz unter die Leute zu bringen.

Es grüßt Sie herzlich — in der Hoffnung, daß die taz bleibt — Ihr Hans-Michael Hanert, Pfarrer, Booßen (Frankfurt/Oder)

Der Gedanke, eines Tages keine taz mehr lesen zu können, weil durch die jetzige Kampagne nicht genügend Abonnenten aufgetrieben werden können, ist mir als langjährigem Abonnent mehr als schaurig — und am liebsten will ich ihn gar nicht aufkommen lassen. [...]

Schon länger suche ich deshalb in meinem Bekanntenkreis nach potentiellen Abonnenten, bin aber bisher selten fündig geworden, weil sich in diesem nur an monetären Interessen ausgerichteten Kurort kaum überhaupt „lesefähige“ Bekannte befinden, und die, die ich für in Frage kommend hielt, haben alle bereits ein Abo. Mir kam jedoch schon vor längerer Zeit eine Idee, die ich Ihnen vorstellen möchte: In jedes Wartezimmer eine taz! Und habe Ihnen deshalb in der Anlage den Entwurf zu einem Rundbrief beigelegt, den ich auch gerne bereit bin abzusenden. [...] Wenn Sie mir dieses Schreiben zurücksenden und eventuell mit Änderungswünschen versehen, die ich gerne einarbeiten will, und mir eine entsprechende Menge taz-Ausgaben vom 5.9.92 zur Verfügung stellen (in meinem kleinen Dorf kommen etwa 20 Ärzte in Frage) sende ich diese Aktion ab. Jörg Meyer, Norderney

Es hat mich sehr erschüttert, zu erfahren, daß die taz trotz aller Anstrengungen nun wohl doch pleite gehen wird. Ich brauche nicht zu betonen, welchen Verlust das Verschwinden einer solchen Zeitung für eine Gesellschaft bedeutet, die sich gerade mit neuem Faschismus herumschlagen muß, der immer mehr Boden gewinnt und immer konkretere Formen annimmt. [...]

Ihr habt sehr anschaulich und sicherlich zutreffend beschrieben, aus welchen Gründen immer weniger Leute Interesse an einer politischen Zeitung haben. Allerdings muß auch eingestanden werden, daß die bisherigen Bemühungen zum Erhalt der taz entweder ungeeignet oder nicht ausreichend oder beides gewesen sein müssen. Ich verstehe nicht, warum Ihr Euch so sehr und so einseitig auf eine Steigerung der Abo- Zahlen konzentriert, um die taz zu sanieren. [...] Ich selbst habe kein Interesse an einem taz-Abo. Eher würde ich zur Stützung der Zeitung meine Einlage erhöhen. Das bedeutet nicht etwa, daß mir die Zeitung zu schlecht wäre, sondern eher das Gegenteil. Jede taz ist voll von wissenswerten Informationen und guten Artikeln. Diese Masse an Lesestoff in ihrer Ausführlichkeit und ihrem meist hohen sprachlich-intellektuellen Niveau macht es allerdings unmöglich, die taz wie jede andere Zeitung „mal eben so“ durchzulesen, sondern es sind Texte, mit denen man sich auseinandersetzen und für die man sich Zeit nehmen muß. Außer Zeitunglesen habe ich, wie viele andere Menschen, in meinem Alltag jedoch auch noch andere Dinge vor. Kurz und gut: Ich würde es nie schaffen, jeden Tag eine taz zu lesen, selbst wenn ich täglich dazu Lust hätte. [...]

Um nicht mißverstanden zu werden: Ich trete nicht für eine Verflachung der taz zum Zwecke der leichteren Lesbarkeit und Konsumierbarkeit ein. Käseblätter haben wir schon genug. Aber ich finde, daß Ihr Euch grundsätzlich Überlegungen machen solltet, wieviele Leute es überhaupt gibt, die jeden Tag eine Zeitung gebrauchen können. [...] Peter Grazek, Kiel