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Linksbündnis streitet über Maastricht

Mehrheit der spanischen Linksopposition gegen Europa-Verträge/ Parteisprecher Sartorius trat zurück  ■ Aus Madrid Antje Bauer

Nur 21 Prozent der SpanierInnen würden gegen die Maastrichter Verträge stimmen, haben Meinungsumfragen herausgefunden. Allerdings ist ein Referendum nicht in Sicht. Doch die Debatte um die europäische Einheit droht die drittstärkste Kraft im spanischen Parlament, die Vereinigte Linke (Izquierda Unida) definitiv zu spalten.

Ihr Fraktionssprecher Nicolas Sartorius kündigte am Montag abend seinen Rücktritt an. In der Kontroverse über Maastricht ist Sartorius, der zur Führungsspitze des Linksbündnisses gehört, Hauptkontrahent des Chefs der Izquierda Unida (IU), Julio Anguita. Seit Monaten fordert Sartorius dazu auf, die Verträge zur Europäischen Union zu unterschreiben — und danach auf Verbesserungen hinzuarbeiten. Begründung: Die Linken sehen schlechten Zeiten entgegen, und außerhalb der Maastrichter Verträge sei es nur noch schwieriger, Verbesserungen für die Europäer zu erkämpfen. Die Verträge seien im großen und ganzen akzeptabel, und bezüglich der mangelnden inneren Demokratie des EG- Gebildes seien immerhin richtige Schritte zur Stärkung des Europaparlaments gemacht worden, die es zu unterstützen gelte.

Der Mehrheitsflügel der Parteiengruppierung unter Julio Anguita ist jedoch grundsätzlich gegen Maastricht. Bei einem Vorstandstreffen der IU setzte er sich mit 20 Stimmen gegen 13 für die Ablehnung der Ratifizierung der Maastrichter Verträge im Parlament durch. Darüber hinaus will er die Regierung auffordern, sie einem Referendum zu unterwerfen. Ein Kompromißvorschlag der Minderheit, der einzelne Änderungen des Vertrags sowie die Forderung nach einer Volksbefragung vorsah, ohne die Ratifizierung abzulehnen, wurde überstimmt. Vor der Alternative, sich entweder dem Parteibeschluß zu beugen oder von seinem Sprecherposten abzutreten, entschloß sich Sartorius für das zweite. Er wird in den kommenden Tagen vermutlich durch Antonio Romero ersetzt, einem Abgeordneten aus dem direkten Umfeld von Julio Anguita.

Doch nicht nur innerhalb der linken Opposition hat Maastricht Auseinandersetzungen ausgelöst. Auch in der rechten „Volkspartei“ (PP), nach den regierenden Sozialisten zweitstärkste Fraktion, knistert es. Isabel Tocino, Führungsmitglied und ewige Rivalin des Parteivorsitzenden José Maria Aznar, hüpfte vor wenigen Tagen in einem Interview mit der Tageszeitung El Mundo aus den fest geschlossenen Reihen ihrer Partei: „Maastricht bedarf einer Reform“, versicherte sie munter, „und, wenn das Land es danach immer noch fordert, eines Referendums.“ Durch die Partei, die Maastricht offiziell vorbehaltlos unterstützt und eine Volksbefragung für abwegig hält, ging ein entsetztes Zittern, und am Tag danach mußte die Dame ihre Meinung wieder zurücknehmen.

Der Sozialistischen Partei hingegen gelingt es bislang, ein Bild der Einigkeit zu geben. Eine Volksbefragung zu dem Thema sei überflüssig, so die Parole, zumal die Materie zu komplex sei, als daß man sie der großen Masse verständlich machen könne. Allen sitzt noch die Erinnerung an die Volksbefragung zur Nato-Mitgliedschaft Spaniens im Nacken, die sie 1986 nur gewonnen hatten, indem sie sie zu einer Abstimmung über Regierungschef Felipe González machten. Heute könnte eine solche Wandlung des Ziels — ähnlich wie bei Mitterrand — nach hinten losgehen.

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