Weltbank will aus Fehlern lernen

■ In ihrer Jahresbilanz schlagen die Weltbanker selbstkritische Töne an: Woher kommt der Mißerfolg?

Berlin/Washington (taz/epd/dpa) — Mit optimistischen Prognosen hält sich die Weltbank in ihrem gestern vorgelegten Geschäftsbericht 1992 auffällig zurück. Vor einem Jahr noch durchzog das Credo „schnelle Entwicklung ist möglich“ die Bilanz der Weltbanker. In diesem Jahr heißt es wesentlich bescheidener, daß der Abbau der Armut weiterhin Schwerpunkt der Arbeit bleiben werde. Und erstmals stellten sich die Weltbanker die Frage nach dem Erfolg ihrer Programme. Dabei entdeckten sie, daß in sämtlichen Regionen (außer Asien) bei 30 Prozent der Projekte im vierten und fünften Jahr größere Probleme auftreten. Bis Ende des Jahres soll eine „hochrangige Arbeitsgruppe“ das Finanzmanagement und das Bewertungsverfahren der Bank analysieren, um festzustellen, warum viele ihrer Programme letztlich erfolglos bleiben.

Besonders schwierig ist nach Darstellung der Weltbank die Lage in Afrika. Die größten Hindernisse seien „nach wie vor unangemessene wirtschaftspolitische Maßnahmen des jeweiligen Landes, die häufig einen falschen Einsatz der vorgesehenen finanziellen Mittel zur Folge hatten“.

Bei der Vorlage des 1992er Berichts in Washington wies ein Bankvertreter darauf hin, daß der Weltbank langsam das Geld ausgeht. Nach dem Beitritt der früheren sowjetischen Republiken gehen die Banker davon aus, daß der Bedarf für ihre Kredite weltweit steigen wird. Doch ausgerechnet in dem Topf für die ärmsten 40 Länder der Erde, deren Bevölkerung 1990 lediglich über ein Pro-Kopf-Einkommen von unter 610 US-Dollar im Jahr verfügte, herrscht Ebbe. Die Industriestaaten als Geldgeber müßten das IDA- Programm (s. Kasten) mindestens mit 18 Milliarden Dollar auffüllen, damit genauso viele Kredite vergeben werden können wie im laufenden Programm.

Im Geschäftsjahr 1993, das am 1. Juli 1992 begann, will die Weltbank neue Kredite zwischen 18,5 und 21,5 Milliarden Dollar (1992: 15,1 Milliarden) vergeben. Über IDA sollen fünf (1992: 6,5) Milliarden Dollar an die ärmsten Länder der Welt fließen.

Erstmals hält es die Weltbank für nötig, die Kritik von Umweltschutzverbänden so ernst zu nehmen, daß sie darauf reagiert. Fast 30 Prozent der im abgelaufenen Geschäftsjahr bewilligten Projekte hätten Umweltkomponenten enthalten, verteidigt sich die Bank in ihrem Bericht. Ihre Kritiker hatten sich allerdings auf die 70 Prozent der Programme ohne derartige Komponenten bezogen.

Wie bereits im Weltentwicklungsbericht, den die Bank im Frühjahr vorgelegt hatte, betonen die Banker auch im Geschäftsbericht, daß sie sehr an einer Zusammenarbeit mit Bürgerinitiativen vor Ort (im Institutionskauderwelsch Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) genannt) interessiert sind. „Die Bank legt größten Wert auf den Dialog über entwicklungspolitische Fragen“ mit den NGO, heißt es.

Diese wiederum dürften als erstes darauf hinweisen, daß noch immer etliche Entwicklungsländer unterm Strich mehr Geld an die Gläubigerstaaten zahlen, als sie von ihnen bekommen. Diese Tatsachen verschleiert die Bank noch immer gerne in verquasten Sätzen. „Der negative Nettotransfer nach Lateinamerika nahm auf minus 8,6 Mrd. Dollar zu“, heißt schließlich nichts anderes, als daß Lateinamerika unterm Strich 8,6 Milliarden Dollar mehr für seine Schulden ausgeben mußte, als insgesamt an Auslandskapital hereinkam.

Die Weltbank selbst war im abgelaufenen Geschäftsjahr keinesfalls ein Zuschußbetrieb. Ihr Gewinn betrug im abgelaufenen Geschäftsjahr 1,65 Milliarden Dollar, 450 Millionen Dollar mehr als im Vorjahr. Der eigenen Verwaltung genehmigten die Exekutivdirektoren für das neue Geschäftsjahr 1,25 Milliarden Dollar, 11,7 Prozent mehr als 1992 — wegen der neuen Programme für die ehemalige Sowjetunion.

Auch der diesjährige Geschäftsbericht verliert kein Wort über die Politik des Internationalen Währungsfonds (IWF), obwohl beide Institutionen sich durchaus in die Quere kommen können. So legt die Weltbank inzwischen hohen Wert auf Bildungsprogramme, besonders für Frauen, die in der Dritten Welt einen größeren Teil zum Familieneinkommen beitragen als Männer. Gleichzeitig, so die Erfahrung auch der Weltbank, sind bessere Lebensbedingungen für Frauen der wirksamste Ansatz, den Bevölkerungszuwachs zu bremsen. Der IWF mahnt derweil die gleichen Länder zu mehr Haushaltsdisziplin. Und noch immer kürzen Regierungen dann lieber im Sozial- und Bildungsbereich als bei den Militärausgaben.

Die Trennung beider Institutionen läßt sich auch praktisch kaum durchhalten. Beispiel Landwirtschaft: Die Weltbank kümmert sich neben der Saatgutbeschaffung ebenso um die Entwicklung eines Kreditwesens für die Landwirtschaft und betritt damit Terrain des IWF. Dessen Leute wiederum glauben, daß Einzelprojekte eh nichts bringen, solange die Staatsfinanzen nicht in Ordnung sind. Mit der Weltbank allein kann aber ein Land nicht zusammenarbeiten: Um bei ihr Mitlgied zu werden, muß ein Land zunächst in den IWF aufgenommen sein. Donata Riedel