Ausländer als Verlierer auf dem Arbeitsmarkt

■ Die Zahl der arbeitslosen Ausländer im Westteil von Berlin ist überproportional gestiegen/ Besonders betroffen sind Türken, die Mitte der sechziger Jahre in die Bundesrepublik Deutschland kamen/ Viele denken mittlerweile an Rückkehr

Berlin. Im Arbeitsamt IV in Kreuzberg herrscht an diesem Septembermorgen Hochbetrieb. Frauen begleiten ihre arbeitslosen Männer. Jugendliche helfen ihren Eltern bei den Formalitäten. Es sind vor allem Ausländer aus den Bezirken Kreuzberg und Schöneberg, die sich an dieses Amt wenden. Ein 32jähriger Tunesier, der über zehn Jahre als Lagerarbeiter in Hamburg und Berlin tätig war, ist seit vier Wochen arbeitslos. »Seinen Job hat jetzt ein Deutscher, der Betrieb ist ausländerfeindlich«, sagt seine deutsche Ehefrau.

Ähnliche Erfahrungen hat auch ein junges türkisches Paar gemacht. Der in Deutschland geborene 22jährige Mann hat eine Lehre als Kfz- Mechaniker abgeschlossen und danach neun Monate als Dreher gearbeitet — nun steht er auf der Straße. In den letzten Wochen habe er nur noch unter Druck gestanden, weil Arbeitsplätze abgebaut wurden, gleichzeitig aber viele Deutsche aus dem Berliner Umland eine Stelle suchten. Auch seine 23jährige Freundin hat als Studentin keinen Job in den Semesterferien gefunden, weil ostdeutsche Kommilitonen ebenfalls ihr schmales Budget aufbessern wollten: »Die werden eher genommen als Ausländer.«

Ausländer gehören zu den Verlierern auf dem Arbeitsmarkt im vereinigten Berlin. Seit einem Jahr ist die Zahl der arbeitslosen Ausländer im Westteil der Stadt um 42 Prozent auf 24.000 überproportional gestiegen. Damit ist hier jeder fünfte Arbeitslose ein Ausländer, in Bezirken wie Kreuzberg oder Schöneberg sogar jeder vierte. Aus dem Ostteil der Stadt sind die meisten ehemaligen DDR-Vertragsarbeiter bereits in ihre Heimat zurückgekehrt. »Die Konkurrenz ist härter geworden — bei Ausbildungsplätzen und Arbeitsstellen«, sagt Wolf-Dieter Pfützenreuter, Referatsleiter bei der Berliner Ausländerbeauftragten.

Viele Türken denken an Rückkehr

Hart umkämpft ist der Markt an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze, wo Arbeitskräfte aus dem Osten ihr Glück im Westen suchen. »Die Zuwanderung und die Arbeitssuche von Pendlern aus dem Osten führt zu Verdrängungsprozessen insbesondere in Regionen, wo die Beschäftigungsentwicklung stagniert«, stellt das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung in Nürnberg fest. Die Schwachen auf dem Arbeitsmarkt trifft es zuerst: Frauen, Ältere und Ungelernte.

Nicht selten kommen diese »drei Negativmerkmale« bei Ausländern zusammen, sagt Safter Cinar von der Ausländerberatungsstelle des DGB in Berlin. Vorrangig betroffen sei die erste Generation der Ausländer, hauptsächlich Türken, die Mitte der sechziger Jahre als Arbeitskräfte nach Deutschland geholt wurden.

Viele von ihnen leben inzwischen mit Kindern und Enkeln in Berlin, etliche haben sich inzwischen selbständig gemacht und damit Arbeitsplätze geschaffen. Heute geht die Angst um. An die Türkische Gemeinde zu Berlin wenden sich immer mehr Landsleute, die bei der Jobsuche leer ausgehen: »Deutsche habe Vorrang«, ist ihr Eindruck.

»Viele denken an Rückkehr«, sagt dazu der Präsident der Türkischen Gemeinde, Mustafa Turgut Cakmakoglu.

Doch vor allem die in Deutschland geborenen Türken der zweiten und dritten Generation stürzen dadurch in eine Identitätskrise. »Sie wissen nicht, welcher Gesellschaft sie angehören.« In ihrer Heimat gibt es dafür ein Sprichwort: Iki cami arasindaki beynamaz gibi — zwischen zwei Moscheen, aber wie ein Ungläubiger. dpa