Das Ding aus Angorawolle

■ Edward Wood hatte keine Ahnung von Filmen. Aber er drehte welche. Drei davon zeigt das Checkpoint

Daß Edward D. Wood jr. Filmgeschichte schreiben würde, hätte er sich wohl nie träumen lassen. Aber als die Gebrüder Medved 1980 nach einer Leserumfrage den schlechtesten Regisseur der Welt kürten, blieb ihnen kaum eine andere Wahl. Der exzentrische Westernfan, Hobbytransvestit und Horror-Regisseur, von seinen Fans zärtlich »Eddie« genannt, verbrach in den fünfziger und sechziger Jahren sechs Filme, einer schlechter als der andere. Im Checkpoint sind nun drei besondere Leckerbissen zu sehen: ein höllisches Vergnügen und eine Referenz an einen Regisseur, der ohne jegliche filmtechnische oder ästhetische Ahnung mit würdevoller Obsession so ziemlich alles falsch machte, was man im Film falsch machen kann.

Eddies Karriere begann 1952 mit »Glen or Glenda«, einem Transvestitendrama, daß sich auf einen damals spektakulären Fall von Geschlechtsumwandlung bezog. Fasziniert von Bela Lugosi, bot er dem schon etwas abgehalfterten Dracula-Darsteller eine Rolle an. Nur aus Geldnot nahm Lugosi an: der Beginn einer verhängnisvollen Zusammenarbeit. Da keine passende Rolle zu finden war, schrieb Wood einen verrückten Wissenschaftler ins Drehbuch, der mit seinen völlig unvermittelten Rocky- Horror-Auftritten den zwischen Melodram, Erziehungs- und Dokumentarfilm schwankenden Streifen endgültig verhackstückte. Höhepunkt aber ist eine wirre No-Budget- Traumsequenz, die in ihrer filmischen Armut jeder Beschreibung spottet. Und wenn am Schluß der von Eddie Wood selbst gespielte Transvestit der Verlobten endlich seine Leidenschaft gesteht und sie ihm zum Zeichen ihres Verständnisses ihren Angorapulli reicht, scheint das Schlimmste überstanden zu sein.

Irrtum, denn da gibt es ja noch »The Bride of the Monster« von 1955. Auch »Bride of the Atom« oder »Die Rache des Würgers« genannt. Daß keiner der Titel so recht paßt, nimmt nicht Wunder, verwurstet Wood hier doch Hounted House im Sumpf mit Frankenstein nebst glibbrigem Krakenmonster, Ost-West- Problematik, Whodunit-Bullen und liebeskrankem Freak-Butler. Gedreht wurde wieder mal mit geringsten Mitteln, die auch so richtig schön zu sehen sind. Der lethargische Krake, ein ramponiertes Überbleibsel eines John-Wayne-Films, liegt im wasserarmen, gemauerten Kanal eines Stadtparks und wartet, daß sich die Opfer auf ihn werfen und in schauriger Panik auf seiner Gummimasse wälzen. Die Felsmauern des Folterkellers sind Woolworth- Tapeten, der Sumpf ein Park in Los Angeles. Auch hier das Angorapulli- Motiv: der tumbe Helfer des Schurken befreit die Heldin wegen des flauschigen Mützchens, das er so mag. Ein echter Lichtblick ist der schon stark von Morphinsucht gezeichnete Lugosi. Noch einmal blitzt sein eigenartiger, böser Charme auf, kann man sich seinem mad scientist nicht entziehen, der den beziehungsreichen Namen Dr. Vornoff trägt: »Worn off«, wie »abgetragen, abgewetzt«.

Lugosi sollte als Zugpferd wohl auch dem dritten Film der kleinen Reihe etwas Größe verleihen. Aber nachdem zwei Minuten mit ihm im Kasten waren, verstarb der Schauspieler. Und »Plan 9 form Outer Space« erhielt die Auszeichnung »schlechtester Film der Welt«. Eddie Wood hatte nämlich die geniale Idee, die zwei Minuten trotzdem zu verwenden und die restlichen 76 ein Double mit einem Cape vor dem Gesicht herumlaufen zu lassen. In dem 1958 fertiggestellten Film wollten Außerirdische die Erde vernichten, weil die dummen Menschen mit ihrer Waffentechnologie das Universum gefährden könnten. Eine bemerkenswerte Idee, leider schaffen sie es nicht. Plan 9 sieht vor, die Toten zur Zombie-Armee zu machen, aber bevor mehr als drei Leichen herummorden können, setzt der Held den Oberbösewicht mit einer gezielten Rechten außer Kraft. Auch sonst gibt es bewährte Wood-Qualität zuhauf: erbärmliche Darsteller, durchs Bild wackelnde Käseglocken from outer space, ein UFO-Cockpit wie der Hobbykeller eines Amateurfunkers und eine Montage, die auch mal Tag und Nacht verwechselt. Überdies lassen die statische Kamera und Maniriertheit der Akteure die Filme zwanzig Jahre älter erscheinen.

Eddie wollte danach noch einen Horror-Western drehen, »Ghouls go West«, aber daraus wurde nichts, leider. An der Theke des Checkpoint- Cafés steht auch Hartes zur Verfügung, zur Beruhigung des Zwerchfells oder des Magens, je nachdem. aRaa

Glen or Glenda Do. 20, Fr. 22, Sa. 20, So. 22.30 Uhr, Mo., 21. bis Mi., 23. je 20 Uhr (Checkpoint-Baby)

»Bride of the Monster«, OmU, Do. 22, Fr. + So. 20.30, Mo., 21. bis Mi., 23. je 22 Uhr (Checkpoint-Baby)

»Plan 9 from outer Space«, OmU, Do. 21.30, Fr. 23, So. 22, Mo., 21. bis Mi., 23. jeweils um 22 Uhr im Checkpoint/Leipziger Straße 55.