Dreimal Verdi für Werder

Europapokalverteidiger Werder Bremen reichte eine Halbzeit für ein klares 3:1 über Hannover 96  ■ Aus Bremen Markus Daschner

Der Mann hatte gar kein Trikot an und schwitzte doch. Bremens Stadionsprecher Christian Günther mußte am Dienstag abend im Weserstadion binnen 45 Minuten dreimal auf das Knöpfchen drücken, das die Trompeten des Triumphmarsches nach einem Tor der gastgebenden Mannschaft entfesselte. Pro Bremer Tor einen Marsch, handgedrückt und mundgeblasen, und das dreimal in einer Halbzeit: Wann hatte es das hier zuletzt gegeben?

Die Bremer wollten erst gar keine falschen Töne aufkommen lassen, und auch die 96er aus Hannover hatten beim 1:2 über Bochum im DFB- Pokal am Wochenende für diese Partie noch einmal kräftig Luft geholt. So stand Angriff ohne Kompromisse gegen Mitspielen und Kontern — eine glückliche Paarung. Beide Mannschaften kannten sich ja aus jenem legendären Pokalhalbfinale der letzten Saison, in dem die Bremer mit Elfmeterschießen ihre Fahrkarte zum vierten Berliner Endspiel in Folge verloren hatten.

Aber auch wer will, kann nicht immer gleich. Das galt an diesem Abend vor allem für die Gäste: Hannover wurde von Spielbeginn an in der eigenen Hälfte eingeschnürt, ein enges Korsett hatte das früh angreifende Bremer Mittelfeld den niedersächsischen Nachbarn angelegt. Andreas Herzog dirigierte seine Solisten im Sturm mit Bravour, und in der 19. Minute bediente das „Herzerl“, der ehemalige Wiener Walzerkönig, von der Mittellinie aus Wynton Rufer mit einem präzisen Paß. Rufer nahm gekonnt mit rechts an und ließ seinen Gegner ins Leere geigen: Für den anschließenden Paukenschlag aus 18 Metern in die lange Ecke fehlten Hannovers Torwart Jörg Sievers die Noten: 1:0, und Verdi dröhnte das erste Mal.

Werder spielte, spielte, spielte. Und mitten in die schönste Fußball- Harmonie platzte dann ein Konter von Hannovers Milos Djelmas über die rechte Seite. Gar nicht so brenzlig, daß einem Abwehrspieler gleich die Saite reißen mußte, aber Beiersdorfer hatte keine Nerven und hielt den Hannoveraner fest. Den fälligen Elfmeter verwandelte Roman Wojcicki (26.).

Werder spielte, spielte, spielte, und die Gesänge der Hannoveraner Fans unter den 17.000 Zuschauern waren noch nicht verklungen, als die Bremer von rechts eine Ecke vor das Hannoveraner Tor brachten. Wieder war Rufer da und gab Christian Günther das Zeichen: Verdi, bitte. 2:1.

Werder Bremen hatte an diesem Abend Torchancen für eine ganze Oper. Bode, Rufer, auch Harttgen und vor allem Herzog zogen so vom Leder, daß den Hannoveranern die Spucke für das eigene Spiel wegblieb. Selbst Rune Bratseth, Bremens letzter Mann, stürmte mit und wurde kurz vor Halbzeitpfiff mit einer maßgeschneiderten Flanke von Manfred Bockenfeld bedient. Allein stieg er hoch und köpfte ungehindert zum 3:1 ein. Und wieder war es Zeit für die Trompeten.

In der Pause gab es AC/DC, danach war keine Musik mehr im Spiel. Bremen fiel weit hinter die Leistung der ersten Halbzeit zurück, Hannover hatte trotzdem nur wenige Chancen. Außerdem mußten die Niedersachsen seit der 57. Minute mit neun Feldspielern auskommen: Michael Schönberg hatte wegen Meckerns die Gelb-Rote Karte bekommen.

Es blieb beim Pausenstand von 3:1, und über Sieg und Niederlage in dieser ersten Runde im Europapokal wird das Rückspiel in 14 Tagen in Hannover entscheiden. Aber wenigstens Giuseppe Verdi ist fein heraus. Es wird immer deutlicher, daß der Mailänder ein heimlicher Tifoso war und seine Musik viel eher für Inter oder AC als für die olle Aida komponiert hat.

Hannover 96: Sievers - Wojcicki - Klütz, Sundermann - Heemsoth, Sierocks, Groth, Bicici, Schönberg - Djelmas (64. Mathy), Koch (66. Kretzschmar)

Zuschauer: 17.000; Tore: 1:0 Rufer (19.), 1:1 Wojcicki (26./Foulelfmeter), 2:1 Rufer (28.), 3:1 Bratseth (45.)

Gelb-Rote Karte: Schönberg (59.)

Werder Bremen: Reck - Bratseth - Votava, Beiersdorfer (30. Hermann) - Bockenfeld, Hartgen, Herzog, Eilts, Bode - Rufer (69. Wolter), Allofs