Streit um eine kleine Insel im Persischen Golf

 ■ Aus Kairo Karim El-Gawhary

Der Streitgegenstand ist dreieinhalb mal so groß wie die Ostseeinsel Hiddensee, 67 Kilometer vor der iranischen Küste und 33 Kilometer vor dem Ufer der Vereinigten Arabischen Emirate gelegen: Die kleine Golfinsel Abu Musa.

Der Streit geht, wie so oft im Nahen Osten, um Gebietsansprüche. Wem gehört die Insel, den Emiraten oder dem Iran? Die Vertreter Saudi- Arabiens, Kuwaits, Bahrains, Qatars, der Vereinigten Emirate und des Omans gaben darauf eine eindeutige Antwort: „Abu Musa steht unter der Souveränität der Emirate“. „Der Golfrat unterstützt alle Maßnahmen, mit denen sich die Emirate der Souveränität der Insel versichern“, hieß es auch in einer Abschlußerklärung nach einem Treffen des Golfkooperationsrates in der vergangenen Woche. Mittlerweile haben sich auch die Außenminister der Arabischen Liga des Problems angenommen. Nun soll sich die UNO mit dem Streit befassen.

Der hat, wie so oft, eine lange Geschichte: Als die Briten sich nach dem zweiten Weltkrieg östlich des Suezkanals zurückzogen, kamen sie mit der iranischen Regierung überein, daß diese in Zukunft für den militärischen Schutz der Insel sorgen solle. Das Problem der Souveränität entstand, als 1971 die Vereinigten Arabischen Emirate aus sieben Scheichtümern gegründet wurden. Der Schah von Iran und die Regierung der Emirate kamen überein, die Herrschaft über die Insel in Zukunft aufzuteilen. Seitdem unterstehen die EinwohnerInnen der Insel dem Emiratsrecht, während gleichzeitig iranische Truppen dort stationiert sind.

Seit Beginn dieses Jahres ist der Konflikt um das Eiland eskaliert. Im Februar besuchte der iranische Präsident Rafsandschani die Truppen auf der Insel. Als einen „Vorposten für die Verteidigung des Iran“, bezeichnete er sie damals. Im Monat darauf lies der Iran einige Ausländer, die in einem örtlichen Elektrizitätswerk und einer Klinik arbeiteten, ausweisen. Letzten Monat verweigerte der Iran einem aus den Emiraten kommenden Schiff die Einfahrt in den Hafen von Abu Musa. Im Iran ist inzwischen von einer neuen „Provinz der iranischen Inseln“ die Rede. Die Hauptstadt soll Abu Musa werden.

Wie für die Politik der Golfstaaten üblich, versuchte man in den Emiraten, „im stillen“ den Iran zu bremsen. Man sandte Delegierte in den Iran, um dort über einen friedlichen Ausweg aus der Krise zu verhandeln. Doch es ist gerade der Wegfall der regionalen Macht Irak, der dem Iran nun wieder eine freiere Hand am Golf gibt.

Für viele der dortigen Staaten kommt nach der Zerstörung des Iraks die Gefahr nun wieder aus Teheran. Eine prekäre Lage für die absolutistischen Regierungen der Golfstaaten. Viele der EinwohnerInnen der Emirate gehören der schiitischen Religionsgemeinschaft an, die traditionell dem Iran nahesteht. Militärisch hätten die kleinen Golfländer dem Riesen Iran ohnehin nichts entgegenzusetzen. Mit Sorge blicken sie auf den Bau einer neuen Marinebasis an der iranischen Küste.

Mit der Erklärung des Golfkooperationsrates und der arabischen Außenminister wird der Streit um die Insel nun das erste Mal in einem größeren Rahmen behandelt. Ein Zeichen, daß die Zeit der „stillen Politik“ ausgelaufen ist.