Mitsubishi-Motor unter Mercedes-Haube

Der Stuttgarter Nobelkarossenhersteller und Mitsubishi Motors wollen erstmals bei Entwicklung und Herstellung eines Kleinlasters zusammenarbeiten/ Japaner liefern Dieselmotoren nach Deutschland  ■ Aus Tokio Georg Blume

Daimler-Benz-Chef Edzard Reuter will die deutsche Autoseele revolutionieren. Tatsächlich schreckt Deutschlands renommiertester Autohersteller nicht mehr davor zurück, seine Produkte mit japanischen Motoren auszurüsten. Mit einem Projekt, das einen spektakulären Schlußstrich unter die Maxime „Mercedes made in Germany“ setzen würde, wollen der größte europäische Konzern Daimler-Benz und die weltgrößte Firmengruppe Mitsubishi noch in diesem Herbst in die gemeinsame Nutzwagenproduktion einsteigen. Für Mercedes-Benz, dem Automobilunternehmen der Daimler-Gruppe, ist es das erste Mal überhaupt, daß man sich in Entwicklung und Produktion eines Fahrzeugs mit einem anderen Unternehmen zusammentun will.

Konkret planen Mercedes-Benz und der japanische Partner Mitsubishi Motors Corporation den gemeinsamen Bau des Mercedes-Kleinnutzwagens „Transporter“, der 1995 in einer neuen Version auf dem Weltmarkt erscheinen soll. Für den Transporter will Mercedes-Benz nun die Motoren bei Mitsubishi bestellen. Dort befinden sich die fraglichen 2,8-Liter-Diesel-Motoren derzeit noch in der Entwicklung. Doch man ist zuversichtlich, bis 1995 eine Stückzahl von jährlich 9.000 Motoren nach Deutschland zu liefern. Schon in den Jahren vor Produktionsbeginn wollen beide Unternehmen Entwicklung und Herstellungsgang aufeinander abstimmen.

Mercedes findet daran Interesse, weil das Unternehmen in Zusammenarbeit mit Mitsubishi den Forschungs- und Entwicklungprozeß für den „Transporter“ erheblich verkürzen kann. Doch auch grundsätzlich genügt das Projekt den strategischen Vorgaben der Deutschen: Bis zur geplanten Liberalisierung des europäischen Automarkts im Jahr 2000 hat Daimler vorgesehen, eine größere Menge von Einzelteilen aus Ostasien zu beziehen, weil dort kostengünstiger produziert wird. Außerdem sucht Daimler im Rahmen der Zusammenarbeit mit Mitsubishi nach Möglichkeiten, vor Ort in Japan oder Korea eine eigene Produktion aufzunehmen. Für Mitsubishi wiederum ist das Motorengeschäft eine hervorragende Gelegenheit, die Importbeschränkungen der EG zu umgehen: Denn diese gelten nur für Autos, nicht aber für Motoren. Japan und die EG hatten sich im Juli 1991 geeinigt, den Import japanischer Autos nach Europa auf 1,23 Millionen Wagen bis 1999 einzugrenzen. Auch aus diesem Grund plant Mitsubishi Motors bereits ein gemeinsames Motorenwerk mit Volvo in Holland, wo man ab 1995 jährlich 200.000 PKWs herstellen will. Die Zusammenarbeit mit Volvo hatte viele Beobachter bereits an den Erfolgsaussichten in den Gesprächen zwischen Mercedes und Mitsubishi zweifeln lassen.

Tatsächlich hatten beide Firmen seit einer ersten Grundsatzvereinbarung aus dem Jahre 1987 zu keinem gemeinsamen Projekt gefunden. Lediglich der damals vereinbarte Verkauf von Mercedes-Wagen in Japan durch Mitsubishi erfolgte wie geplant. Seit 1990 standen die Verhandlungen der beiden Autohersteller dann unter einem neuen Stern: Auf Initiative von Edzard Reuter und dem Mitsubishi-Chef Shinroku Morohashi hatten sich die Mitsubishi- Unternehmen auf breiter Ebene mit den Unternehmen der Daimler- Gruppe zusammengetan, um eine strategische Allianz zu formen. Doch konkrete Verhandlungsergebnisse blieben rar. Zuletzt waren die AEG und Mitsubishi Electric zu der Vereinbarung gelangt, bei der AEG in Deutschland Elektronik-Chips unter dem Firmennamen von Mitsubishi herzustellen.

Die geplante Vereinbarung zwischen Mercedes-Benz und Mitsubishi Motors markiert also zweifellos einen Durchbruch in den von vielen bereits totgesagten deutsch-japanischen Gesprächen. Noch Anfang Oktober wollen sich Daimler-Chef Reuter und seine japanischen Gegenüber in der Hafenstadt Kobe treffen und grünes Licht geben. Im November ist dann die endgültige Vertragsunterzeichnung geplant.

Offiziell weigerten sich beide Unternehmen gestern noch, den Projektbeschluß zu bestätigen. „Vor dem Spitzentreffen im Oktober“, so ein Sprecher von Mitsubishi Motors gestern, „ist eine offizielle Ankündigung nicht möglich.“ Auch Wolfgang Dietrich, Chef-Repräsentant von Daimler-Benz in Japan, betonte gestern, daß „einige Punkte“ in den Verhandlungen noch ungeklärt seien. Die Entwicklung ist für ihn aber „hocherfreulich“. „Wir verhandeln heute zwischen Tokio und Stuttgart über so viele Projekt“, kommentierte Dietrich lakonisch, „da muß ja eines mal klappen.“