Falscher Polizist als Vergewaltiger

■ Prostituierte beschuldigt vor Gericht 30jährigen Straßenreiniger/ Angeklagter soll 1989 das Opfer »festgenommen« und mißbraucht haben/ Folterwerkzeuge als Indizien

Moabit. »Mach die Augen auf, sonst bist du tot!« Dieser Satz taucht immer wieder in einem Alptraum der Prostituierten Anja B. auf, der sie seit fast drei Jahren verfolgt. In der Nacht des 3. Dezember 1989 geriet die 23jährige an der Schöneberger Kurfürstenstraße in die Hände eines Freiers, der sie in Handschellen legte, mit einem Elektrostab folterte und mit einem in Äther getränkten Leinentuch mehrfach betäubte, um sie dann zu vergewaltigen. Krampfhaft habe sie versucht, die Augen offen zu halten — in ihrem Traum kämpft sie noch immer um ihr Leben. Vor der 15. Strafkammer des Landgerichts beschuldigte die Prostituierte gestern den 30jährigen Straßenreiniger Rainer R., er sei der Täter gewesen.

Nach der Aussage der Prostituierten ist sie nach einem kurzen Gespräch ins Auto gestiegen. Wie üblich wollte sie mit ihm zu dem Parkplatz an der Maienstraße fahren: »Dann hat er mir eine ovale Marke vors Gesicht gehalten und sich als Polizist ausgegeben.« Sie sei »festgenommen« worden, dann habe er ihr Handschellen angelegt. Zur Wache am Zoo habe er sie bringen wollen. Bald merkte sie, daß man nicht auf dem richtigen Weg war. »Zur Polizei bringe ich dich später«, habe der Mann geantwortet, ihr eine Pudelmütze über den Kopf gezogen, und mit Elektroschocks mälträtiert. Ob er sie vergewaltigt habe, könne sie nicht mehr genau sagen, da sie hin und wieder durch den Äther bewußtlos geworden sei: »Ich glaube schon, daß er Verkehr mit mir gemacht hat.«

Der Straßenfeger wies die Anschuldigungen zurück. Er will in jener Nacht nach dem Spätdienst auf dem Spandauer Weihnachtsmarkt sofort nach Hause gegangen sein. Nach seinen Aussagen hat er zur Tatzeit gegen 1.40 Uhr geschlafen. Seine Freundin könne seine Angaben bezeugen.

Angesprochen auf die Folterwerkzeuge, die bei ihm zu Hause von der Polizei sichergestellt worden waren, darunter Fingerschellen, ein Elektrostab und ein Schlagstock, sagte der Angeklagte, er habe sie sich während seiner Zeit als Wachschutzmann im Sommer 1989 zugelegt. Warum aber will die Prostituierte ihn wiedererkannt haben, als er im Mai 1990 an ihrem Standort in der Kurfürstenstraße vorbeifuhr? Die Prostituierte hatte danach die Polizei alarmiert, die den Mann festnahm. Vielleicht habe sie ihn erkannt, so der Angeklagte, weil er dort des öfteren als eine Art »privater Wachschutz« patrouilliere. Als eine Hure einmal von einem Freier bedrängt und an den Haaren gezogen wurde, sei er aus seinem Wagen gesprungen und habe ihn vertrieben.

Bevor Anja B. den Gerichtssaal betreten konnte, bereitete die Kammer eine Gegenüberstellung vor. Vier schnauzbärtige Männer nahmen auf der Anklagebank Platz. Auf den ersten Blick erkannte die Prostituierte den Angeklagten. rak