Yin und Yang und Yun

■ Ein Geburtstagsständchen — mehr war's nicht — zu Ehren des Komponisten Isang Yun

Uraufführungen sind das Salz in der Suppe zeitgenössischer Musikfestivals und als Auftragswerke für den Komponisten allemal die Butter aufs Brot. Also darf es an Uraufführungen auch bei den diesjährigen Berliner Festwochen nicht fehlen. Kommt noch ein Komponistengeburtstag dazu, so erleichtert sich gebührend die Qual der Wahl. Isang Yun feiert dieses Jahr seinen Fünfundsiebzigsten und hat zudem noch das Glück, daß er im Herbst geboren ist, ermöglichte es ihm doch, seinem eigenen Uraufführungs-Auftragswerk-Geburtstagsständchen zu lauschen. Mittwoch abend in der Kammerphilharmonie konnte dafür das renommierte Amsterdamer Schönberg-Ensemble unter der Leitung von Reinbert de Leeuw gewonnen werden.

Vermutlich hat dieses Ensemble viel Schönberg und Webern gespielt, so war es kein weiter Weg mehr zu den brav-avancierten seriellen Techniken des frisch in Europa angekommenen Isang Yun, in diesem Fall der Musik für sieben Instrumente aus dem Jahre 1958. Yun beachtet aber nicht Weberns Maxime, daß serielle Stücke ob ihrer Faßlichkeit kurz zu sein haben. Seines ist länger und dreisätzig und ufert ins Konturlose aus, fließt nett aber unbedeutend dahin. Wolfgang Burde verklärt diesen Zustand im Programmheft: Hörbar werde jenes »Gleiten der musikalischen Substanz, die sich nirgends an intervallische Konstellationen, an Motive zu binden scheint.« Solch zutiefst asiatischer Vision von Komposition kommt auch entgegen, daß Yun sein intervallisches Material selbst gleichsam »verflüssigt anschaut«. In das Palaver etwa eines Documenta-Kataloges würden sich Burdes Texte nahtlos einfügen.

Der Musik hilft's nicht weiter, weiter aber halfen ihr siebzehn Jahre. Was nämlich folgte, waren die beiden Stücke Pièce concertante für Kammerensemble von 1976 und das zwei Jahre später entstandene Oktett in eben Schubertscher Oktett-Besetzung. Da hat Yun den Klang entdeckt, hat sich offensichtlich von seinen Kollegen Szalonek, Lutoslavski oder Ligeti nicht lumpen lassen wollen. Plötzlich dürfen Klangflächen stehen, und auch heimisch koreanische Einflüsse finden Platz. Was trotzdem bleibt, ist die seltsame Distanziertheit seiner Musik, die sich jeder Expressivität enthält. Vor dem zweiten Stück war denn auch der renommierte Freiburger Komponist Klaus Huber plötzlich im Publikum aufgetaucht, nur nach der anschließenden Pause war er nicht mehr im Saale zu finden. Ob's ein Zeichen sein sollte?

Yuns Geburtstagsständchen in eigener Sache folgte, denn mehr war's wohl nicht gewesen. Drei Blechbläser dürfen da lustig, schon auch mal mit Dämpfer, ziellose Linien ziehen, und das Klavier tut mit kräftigen Akkorden fleißig mit, bevor es in leere Lyrismen entschwindet. »Schokolade mit Sahne«, sagt mein Sitznachbar.

Den Abschluß bildete das Kammerkonzert von 1990, das für den vorhergehenden Schock der Auftrags-Schokolade doch etwas entschädigte. Da werden nochmals in den Streichern Flageolet-Triller zum Klingen gebracht, und die Perkussion erfreut mit zurückhaltend asiatischen Anklängen die Ohren, ohne sie allzu arg zu stören. Wie belauschte ich doch eine Dame in der Pause: »Das gefällt mir, ich muß mich gar nicht anstrengen oder konzentrieren...« Befinden sich doch auch immer ganz ausgeglichen Yin und Yang, die beiden Prinzipien, überall drin in dieser Musik, denke ich, das Programmheft lesend. Aber so umfassend wie die sind, diese Prinzipien Yin und Yang, finden sie sich wohl auch im Quark... Fred Freytag