Feministischer Bodycheck

■ Sissi Perlinger gastiert mit ihrem neuen Programm »Mein Herz sieht rot« im BKA-Zelt

Die Frau, die da im langärmeligen Tigertraum auf die Bühne des BKA-Zeltes steigt, sieht eher aus wie ihr eigener Roadie. Wunderschön — sicher — aber, Tigerfell hin oder her, doch wirklich nicht halb so schrill, wie wir sie uns vorgestellt haben. »Also, hört mal eben!« ruft sie uns zu, »ich muß da eben schnell noch mal was sagen, ja? Nur einen Moment, dann geht's gleich los.« Und dann bittet die Perlinger, die es dann doch höchstselbst ist, um die profanen Dinge des »Life- Acts«: Nicht rauchen, Kerzen aus und ordentlich mitgehen.

»Je mehr ihr's krachen laßt, desto toller wird's«, ermuntert sie uns zu guter Letzt zu guter Laune, dreht sich auf dem hohen Absatz um, verschwindet in der Garderobe, läßt es dort geheimnisvoll rascheln und rauschen — dann ein erstes schrilles »Are you ready to party?« und heraus kommt nun die Perlinger, wie wir sie kennen und lieben: In einem überdimensionierten Stofftierkostüm stakst und hüpft diese kleine quirlige Person über die Bühne, singt ihr »Bum bum krach bum bum schepper« und läßt den rosaroten Panther auf dem beplüschten Allerwertesten fröhlich hüpfen.

Das Publikum im BKA — offenbar der Perlinger noch nicht wirklich kundig — läßt es zunächst gar nicht krachen, sondern bestaunt stumm diese erstaunliche Frau, die das Singen so hervorragend beherrscht und sich doch nicht allein darauf konzentriert, sondern auch noch Faxen macht, auf daß sich die Zeltbalken biegen sollen. Noch ehe sich jemand an diese kindliche »Püppi« auf der Bühne so richtig gewöhnen konnte, schält sich aus dem Steifftierwunder schon die nächste Perlinger heraus: in schwarzem Lackbody wirft sie nun einen »intensiven Blick auf das, was wir eben gesehen haben«, und die Jungs im Zelt tun es auch.

Derweil wird uns anderen, die wir uns noch auf mehr als auf Sissis gute Figur konzentrieren können, die Geschichte von Püppi nähergebracht, einer jungen Dame, die schon früh erkennen muß, daß das Leben nichts weiter als eine überdimensionierte Puppenstube ist, und die angesichts dieser Erkenntnis beschließt, »immer das dumme kleine Mädchen zu bleiben«. Auf der Bühne kommt es in der Folge dieser Entscheidung zu einem kleinen — aber feinen — musikalischen Potpourri, der die Schleifenbewegungen des weiblichen Privatlebens so wunderbar auf den Halbton bringt: Von »Da war doch nichts!«, der Ballade über den nicht vollzogenen Ehebruch, über »Nicht dabei«, dem Lied von der trostlosen Einsamkeit, bis hin zum »Allein sein«, das Püppi zufolge dann irgendwann wieder so fein sein kann, knüpft Sissi Perlinger den Reigen der Liebe vor uns auf. Eine magische Fee, ein Stimmwunder, ein Kleinkunsttraum.

In immer wechselnden Kostümen, mit wunderbaren und wundersamen Choreographien und diesem einzigartigen Charme, zu dem einem nichts Klügeres einfällt, als ihn im besten Sinne »natürlich« zu nennen, führt sie uns das Leben vor und die Jungs im Saal nebenbei noch an der Nase herum. Denn ihr Song »Männer sind Kenner« — einer der Highlights in der Publikumsgunst — ist ein ganz offensichtlicher feministischer Bodycheck gegen alle Macho-Männer, die nichtsdestotrotz natürlich auch an diesem Abend unten im Publikum ganz gern mal auf Sissis Strumpfnaht stieren, und sich selbst dabei wahnsinnig sinnlich vorkommen.

Ihnen allen widmet Frau Perlinger vor der Pause dann den Höhepunkt ihres ersten Aktes: »Wo ist der Mann?« heißt ihre musikalische Kontaktanzeige, in der sie endlich mal nach einem Ausschau hält, der »das Haus auf Vordermann bringt und fröhlich und beschwingt ein Liedchen singt«. Sie selbst tut das in einem unglaublich monströsen Kostüm: dickbäuchig, hängebrüstig und altbacken stellt sie ihre (unerfüllbaren) Forderungen an eben jene Männer, die sich derweil unten johlend auf die Schenkel klopfen und alles nur saukomisch finden, weil sie selbst ja schließlich nicht so blöde Typen sind.

In Wirklichkeit sind sie sogar noch eine Nummer einfältiger. Denn als Frau Perlinger nach der Pause die Bühne betritt, in Straps und diesen Siebeneinhalb-Zentimeter-Pumps, die sie selbst als »orthopädische Horrorvision« bezeichnet, da stieren die unscheinbaren Jungs in der ersten Reihe, die sich so gerne für was Besseres halten, schon wieder so ungeniert auf diese zugegebenermaßen attraktiven Beine auf der Bühne. Ach Männer! Sie verstehen nicht einmal den an sie gerichteten Seitenhieb, als Sissi Perlinger — die all dies sicher vorhergesehen hatte! — den Song »Am besten wir mutieren zurück zu wilden Tieren« anstimmt. So »klein und dumm« wie sie tut, ist diese Püppi dann eben doch nicht — selbst wenn das Leben wirklich nichts anderes als eine männerstierende Puppenstube sein sollte.

Püppi Perlinger jedenfalls kommt aus ihrem Einsamkeitsloch am Ende dieses wunderbaren Abends doch noch heraus und findet zufällig den (auch etwas unscheinbaren) Mann ihrer Träume: »Ein Kuß von Dir und mir wird klar, daß alles davor nur Grießbrei war«, heißt es in ihrem vielleicht schönsten Song. Das sind die Liebeserklärungen, die ich meine. So müßte das Leben sein. So ist Frau Perlinger, die sich immerhin noch drei Wochen im BKA-Zelt bestaunen läßt. Man muß nur hingehen. Sonst ist man nämlich einfach nur »schon wieder nicht dabei-ei-ei«. Und das wäre doch verdammt schade! Klaudia Brunst

Weitere Vorstellungen: bis 5. Oktober, täglich außer donnerstags um 20.30 Uhr im BKA-Zelt an der Philharmonie.