Soundcheck: Eartha Kitt / Jamaica Papa Curvin / Carmel

SOUNDCHECK

Gehört: Eartha Kitt. Schwarzer Stoff vor der übergoldenen Musikhallenorgel gespannt, schwarzes Dressing aller vier Musiker. Allen voran der noch immer voll gelockte Joachim Kühn in dunklem Anthrazit. In bewußter Unkenntnis der aktuellen Plattenproduktion registriert der Zuschauer ein klassisches Jazzoutfit: Flügel, Standbass, Drums, Saxophon. Beleuchtete Notenständer erheben sich strahlend über dem Bühnenboden. Kein Keyboard, Synthi, Sampler...? Die nicht ausverkaufte Musikhalle erlebte eine halbe Stunde Akustik- Jazz der Rhythmus-invertierenden Art. Versierte Musiker, schräger verspielter Bop, soliorientiert, dient er doch nur einem Ziel: Ohne Schweiß kein Blues. Das Fundament ist scheinbar nur erreichbar, wenn sich Kühns filigran-flinke Finger ausgetobt haben. Dann erscheint sie: Eartha, doppelt schwarz, bodenlang und geschlitzt bis zum unteren Bauchnabel. In Unkenntnis des wahren Alters dieser Frau läßt das offerierte Dekolleté die Schätzungen gen 40 sinken. Sie gleitet auf einen Barhocker und beginnt, ihre Geschichten zu erzählen. Thinking Jazz? Spoken Jazz! Minutenlange verbale Stille füllt die Dame mit vielsagenden weitschweifenden Blicken. Allzu Sentimentales tropft aus den Lautsprechern. Selten blitzt die phänomenale Kitt-

1Stimme auf. Vieles muß konzentriert von der Notation abgelesen werden. Der Klassiker „Summertime“, in heißem Rhythmus gekleidet und ausschließlich auf Brainware aufgebaut, erreicht die höchste Punktzahl. Gekonnt: die Kühnsche Pianobegleitung. Sensible Bluesphrasen, dezent angelegt, garnieren das vorherrschende Schwarz durchaus positiv. Aber da war doch noch was. Vitalität, Inbrunst. Ekstase? Null-Boogie! Schade. Wom

Morgen abend: Jamaica Papa Curvin. Laut Info, das das Hamburger Reggae Center zuschickte, gelang der Reggae Mitte der sechziger

1Jahre im Gepäck von Papa Curvin mit einem Passagierschiff nach Europa. Wie dem auch sei, die Reggae-Musiker stehen bis heute im Schatten von Bob Marley, beziehungsweise werden an seinem Erbe gemessen. Der 1943 in Jamaika geborene Papa Curvin ist in Europa geblieben und pflegt die alten guten Tugenden der afrokaribischen Rhythmen: 'dumpfe' Schlagzeug- und Bass-Linie, Gitarrenakkorde in Zweiviertel-Takt und Bläsersätze, die den Rhythmuswechsel einleiten. Auf seiner letzten CD Celebration sind aber auch Rockgitarre- und Jazzsaxophon-Soli zu hören und zwischendurch findet Curvin den Raum, um sein Können auf dem Schlagzeug unter Beweis zu stellen. Die Texte, die den Tanzrhythmus begleiten, erzählen von der Liebe, von Sinnlosigkeit und Grausamkeit des Krieges („War“) und von der Ohnmacht vor einer Atom-Katastrophe („Atomic Trouble“). Nikos Theodorakopulos

Markthalle, 21 Uhr

Morgen abend: Carmel. Üble Spötter behaupten, kreatürlich nähere sie sich zunehmend Alison Moyet. Auf die Klänge von Carmel hat das natürlich keinen Einfluß. Musikalisch haben Carmel McCourt und ihre Band bereits vor dem inflationären Gebrauch des Wortes Cross- Over Stilrichtungen verschiedenster Art vermischt. Herausgekommen ist dabei eine eingängige Bar- Jazz-Soße. Auf ihrer letzten LP Good News bewegen sie sich zwischen Blues, Soul und Gospel, Swing und afrikanischer Musik. Dank den soliden musikalischen Fähigkeiten der Band und der stimmgewaltigen Frau aus Manchester ist diese eigentümliche Mischung leicht konsumierbar und einfach nur nett anzuhören. kader

Musikhalle, 20 Uhr

Außerdem: Die brasilianische Sängerin Elba Ramalho ist morgen um 21 Uhr zu Gast in der Fabrik.