: St.Georg probt den Aufstand
■ Anwohner des Viertels fordern von Sozialsenator Runde: Konkrete Maßnahmen sofort, sonst schreiten wir zur Gegenwehr
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Sozialsenator Runde: Konkrete Maßnahmen
sofort, sonst schreiten wir zur Gegenwehr
Am Montag abend wird für Hamburgs Sozialsenator Ortwin Runde eine schwere Stunde schlagen. Dann wird er sich erstmals den aufgebrachten BürgerInnen von St.Georg stellen. Mit leeren Versprechungen wollen sie sich nicht abfinden lassen, betonten sie gestern mit aller Ausdrücklichkeit.
Angst, daß das Hauptbahnhofsviertel umkippt, sich Gewalttätigkeit breit macht und es zu einem gefährlichen Rechtsruck kommen könnte, treibt die EinwohnerInnen in die Offensive. „Wenn es hier in St.Georg zum sozialen Kollaps kommt, wird eine vernünftige Drogenpolitik auch in keinem anderen Hamburger Stadtteil mehr möglich sein“, warnte Rainer Schmidt vom Drogenprojekt „Palette“ - der drogenpolitische Bankrott.
Politischer Absichtserklärungen sind die Menschen in St.Georg überdrüssig: „Wir wollen nicht mehr diskutieren, sondern vom Senator erklärt bekommen, wann hier was und wo passieren wird“, stellte Schmidt für die Soziale und Pädagogische Initiative (SoPi) klar. Sonst werde man sich zu wehren wissen, so die Ankündigung der AnwohnerInnen. Über 30 Initiativen, Parteien und Kirchengemeinden, „fast alle aus dem Viertel“, gehören der Initiative an.
„Wir schlagen hier nicht auf die Schwächsten ein“, so auch Wolfgang Engelhard vom Einwohnerverein, „wir wissen, daß es den Einwohnern hier hilft, wenn den Süchtigen geholfen wird.“ Von ihren zentralen Forderungen nach einer Ausweitung des Methadonprogramms und der Einrichtung von Fixerräumen will die SoPi daher auch nicht abrücken. Auch mit dem Hinweis auf die geltende Rechtslage und mit Schuldzuweisungen an die Bundesregierung wollen sich die AnwohnerInnen nicht mehr abspeisen lassen: „St.Georg ist ein öffentlicher Druckraum, um den man nur noch Wände ziehen muß.“ Außerdem seien Gesetze Interpretationssache: „Die Drogenpolitik ist in 1
2Auflösung — vieles spielt sich schon jetzt in rechtlichen Grauzonen ab“, so viele SozialarbeiterInnen.
Auch Pastor Gunter Marwege appellierte an den Senat: „Strapazieren sie die Toleranz der Menschen in St.Georg nicht über.“ So
1hätten die AnwohnerInnen überhaupt keine Chance mehr, sich auf die neuen Nachbarn einzustellen. „Durch die Einweisungpraxis von Obdachlosen in die vielen Billigpensionen ist unser Viertel zum Durchlauferhitzer für soziale Probleme geworden“, klagt Pastor
1Marwege. Der Senat fülle Bruchbuden mit Junkies auf, statt sie angemessen unterzubringen, so schimpft auch Geschäftsmann Andreas Kroepels: „Was hier mit den Junkies geschieht, ist mit der Würde des Menschen nicht mehr vereinbar.“ Sannah Koch
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