Wider den saisonalen Aufschwung

■ Hamburgs Verkehrsplaner sind gefordert: Die Stadt braucht ein Konzept, das auf das Fahrrad setzt

„Kole Fööt un Nordenwind givt'n krusen Büdel un'n lütten Pint“ — dieser entzückende kleine Aphorismus, den der zu Unrecht in Vergessenheit geratene nordfriesische Fischer und Philosoph Mandus Helmholt vor gut 300 Jahren formulierte, liefert noch heute vielen Hamburger Radlern (und -innen) ein Motiv, just dieser Tage ob der dräuenden kühl-windigen Jahreszeit mit dem Einmotten ihrer Räder zu beginnen.

Obwohl es nach Ansicht des harten Radler-Kerns kein schlechtes Wetter, sondern nur falsche Kleidung gibt, und obwohl nicht zuletzt Radlers Lieblingsfeind, das Auto, mittels Treibhauseffekt dafür gesorgt hat, daß Schnee und Eis in Hamburg nur noch Seltenheitswert besitzen. Trotzdem erscheint vielen, die Hamburgs Radwege sommers noch in Kauf nehmen, das Risiko für Leib und Leben in Herbst und Winter zu hoch. Kein Wunder, daß in den nächsten Wochen wieder das große Umsteigen beginnt. Auf Busse und Bahnen, okay, und aufs Auto, ojeh.

Der richtige Zeitpunkt, um mit dem Radfest an diesem Wochenende den publikumswirksamen Abschluß der ADFC-Kampagne Rad & Stadt '92 zu setzen; der richtige Zeitpunkt, Hamburgs Politikern, Verkehrsplanern und Verbänden die Hausaufgaben für den Winter zu diktieren. Denn ein Verkehrskonzept, das die Vorherrschaft des Autos bricht, ist notwendiger denn je; ein Fahrradförderungskonzept, das dem Drahtesel Gleichberechtigung einräumt und auf das Zweirad als das umweltfreundlichste Verkehrsmittel setzt, ist seit langem versprochen.

Ausgerechnet Auto-Fan Eugen Wagner will es nun erarbeiten. Daß dem Verkehrssenator in die Pedale geholfen werden muß, ist offensichtlich. Aus eigenem Antrieb würde er wohl kaum etwas Sattelfestes vorlegen, obwohl er, wie böse Zungen zu berichten wissen, dem Kollegen Umweltsenator androhte, ihm die Luft aus den Reifen zu lassen, weil dieser, angeblich hinter Wagners Rücken, die Schirmherrschaft über die Fahrradkampagne übernommen hatte.

Wagner und seine Vierrad-Bande müssen den Druck der Straße spüren, damit radwegweisende Entscheidungen möglich sind. Das Fahrradförderungskonzept muß endlich auf den Tisch, und es muß zügig mit seiner Realisierung begonnen werden. Schon vom nächsten Frühjahr an darf die Rückkehr der Pedalritter nicht mehr ein nur saisonaler Aufschwung bleiben.

Denn auch für Politiker gilt die Radlerweisheit, daß, wer nicht lenken kann, zumindest den Rücktritt nicht vergessen darf. Oder, wie Mandus Helmholt es vielleicht formuliert hätte: Wer nicht will speichen, der muß weichen. Sven-Michael Veit