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Muffe vor Maastricht

■ Bürgerschaft lehnt Volksbefragung zu Europa ab

Die ZuschauerInnen in der Bürgerschaft haben sich am Donnerstag die Augen gerieben: Da stimmte ein Teil der Grünen gegen einen anderen, die FDP, SPD und die CDU, dafür aber mit dem DVU-Dissidenten Altermannn. Der hatte einen schlichten Antrag engebracht. Der Senat solle sich in Bonn für eine Volksabstimmung über die Maastrichter Verträge stark machen. Und schon gingen die Irritationen quer durch das Parlament.

Nach der Abstimmung in Dänemark und in gespannter Erwartung des französischen Ergebnisses wollte kaum einer der ParlamentarierInnen an die Weisheit des Volkes glauben. Die CDU sowieso nicht. „Parteienstreit oder tagespolitischer Opportunismus sind keine Motive, die Verfassung zu ändern“, sagte gestern der CDU-Sprecher Thomas Diehl. Das Grundgesetz sehe eine Volksabstimmung nur bei der Neuordnung der Ländergrenzen vor, daher habe die Fraktion gegen den Antrag gestimmt.

Ähnlich die FDP: Mit dem Mittel der Volksabstimung müsse man vorsichtig umgehen, meinte der FDP-Fraktionsvorsitzende Welke. „Gerade bei Bereichen, die emotional diskutiert werden. Und da ist Maastricht wie die Todesstrafe.“ Außerdem sei das Thema sehr kompliziert, viel zu kompliziert, als daß „die Bevölkerung das überblicken würde. Und das können Sie auch nicht mehr niederbringen.“

In der SPD waren die Abgeordneten überhaupt nicht ihrer Meinung. „Je näher der Zeitpunkt rückt, desto nervöser werden die Leute und die Politiker“, erklärte Reinhard Barsuhn, Vizechef der Fraktion. „Es kommen doch die Zweifel, ob das denn alles so richtig ist.“ Es habe doch viele gegeben, die für einen Volksentscheid gewesen seien, auch wenn die Fraktionsmehrheit dagegen sei. Aber vorerst herrscht noch die Fraktionsdisziplin: Die SPD stimmte wie ein Mann gegen den Antrag und begründete es damit, daß die Bevölkerung viel zu schlecht informiert sei.

Das war für die Grünen genau der Grund, für die Abstimmung zu sein. Ohne breite Diskusson gehe Europa nicht wirklich zusammen, erklärte Hermann Kuhn. Die Grünen hatten sich im Vorfeld der Sitzung bemüht, mit den AmpelpartnerInnen einen gemeinsamen Antrag einzubringen. Das war allerdings am harten Widerstand der FDP und am Durcheinander der SPD gescheitert. „Nicht Mehrheitsfähig“, bedauerte Fraktionssprecherin Karoline Linnert, und die Grünen stimmten ab, wie ihnen die Hand gewachsen war: Fünf dafür, einer dagegen, alle aus Prinzip, drei Enthaltungen, darunter Hermann Kuhn. „Aber Altermann hat den Antrag gegen Europa gestellt, das wollte ich nicht mittragen.“ J.G.

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