Glaspalast und Lehmhütten

■ Das Freizeit- und Erholungszentrum Wuhlheide (FEZ) erfreut sich bei jung und alt nach wie vor großer Beliebtheit/ Parlamentarischer Hauptausschuß berät über Finanzierungskonzept

Sascha rückt seine Dienstmütze zurecht und schaut sachlich drein. Stationsvorsteher und Schaffner ist der 13jährige heute schon, später will er — wen überrascht's — Lokomotivführer werden. Der jahrelange regelmäßige »Dienst« bei der gar nicht so kleinen Parkeisenbahn im Freizeit- und Erholungszentrum Wuhlheide (FEZ) ist dafür eine gute Voraussetzung.

Die kobaltblaue Lokomotive umrundet auf ihrer fast sieben Kilometer langen Strecke einen Badesee, zwei Freilichtbühnen, ein Sportstadion, eine Pferdekoppel und eine Rodelbahn. Der ehemalige »Pionierpark Ernst Thälmann« im Osten Köpenicks ist mit einer Fläche von 1,2 Quadratkilometern die größte Freizeiteinrichtung Berlins. In der Mitte des Waldparks liegt ein großer Abenteuerspielplatz, auf dem Kinder Figuren, Bäume und Hütten aus Weidenruten und Lehm gebaut haben. Die Konstruktionen sind erstaunlich stabil, obwohl sie harte Kämpfe zwischen Indiandern und Trappern aushalten müssen.

Die FDJ führte auf dem Gelände früher auch ernstere Manöver durch. »Die haben hier Luftgewehrschießen und militärisches Bettenbauen geübt«, erzählt Manfred Bisanz, pädagogischer Leiter des FEZ. Außerdem wurden hier Leiter der FDJ und der Thälmann-Pioniere geschult. »Die Einrichtung war richtungweisend für die ganze Jugendarbeit der DDR«, erklärt Bisanz.

Nach der Wende übernahm die Senatsverwaltung für Jugend den Komplex. Nachdem 1990 nur wenige Besucher gekommen waren, herrscht heute wieder reger Zulauf. Durchschnittlich verzeichnet das FEZ pro Wochenende 10.000 Besucher, 40 Prozent von ihnen sind Westberliner. Unter der Woche kommen vor allem Schulklassen sowie die Kursteilnehmer der mehr als zweihundert Arbeitsgruppen, die Modellbauen, Kochen, Computerprogramme oder das Erfinden von Märchen lernen wollen.

Die meisten Kurse finden im 1979 eröffneten »Palast« statt, einer imposanten Holz- und Glaskonstruktion. Auf üppigen 13.000 Quadratmetern liegen ein Hallenbad, mehrere Turnhallen, zahlreiche Werkräume und das »Kosmonautenzentrum«. An diesem Vormittag hat es eine Schulklasse aus Schöneberg mit Beschlag belegt. Neben einer sowjetischen »Sojus«-Raumkapsel balanciert ein Elfjähriger auf der wackeligen »Taumelscheibe«. Auf das dreidimensionale Rhönrad, in dem man in alle Richtungen herumgewirbelt wird, traut sich dagegen (noch) niemand. »Darauf gehen meistens die Mutigsten der Gruppe am Schluß«, erklärt Antje Thoms, Pressesprecherin des FEZ.

Besonders beliebt ist auch das etwas abgelegene »Haus für Natur und Umwelt«. Hier sorgen die Kinder selbständig für den Minizoo mit Schafen, Schildkröten, Meerschweinchen, Aalen und Stabheuschrecken. Das Tierfutter bauen sie im Gemüsegärtchen hinter dem Haus an.

Grundsätzlich kostet das FEZ keinen Eintritt, außer bei besonderen Veranstaltungen wie Theater oder Konzerten. »Die Jugendlichen sollen unabhängig von ihrer sozialen Situation hierherkommmen können«, erklärt Manfred Bisanz. 1,1 Millionen Mark nahm das FEZ 1991 ein, 15 Millionen mußte der Senat zuschießen. Schon seit mehr als einem Jahr arbeitet die Senatsverwaltung für Jugend und Familie an einem Konzept, um den großen Komplex finanzieren zu können. »Im Moment berät der Hauptausschuß eine Vorlage, über die Ende Oktober entschieden werden soll«, sagt Thomas Wieselen von der Jugendverwaltung. Einige Entscheidungen stehen jedoch schon fest.

»Die Landesmusikakademie wird in den Palast einziehen, das Bezirksamt Köpenick übernimmt das Sportstadion, und die Stiftung Umwelt und Naturschutz das Haus der Natur und Umwelt«, erklärt Manfred Biesanz. Das vielfältige Angebot soll auf alle Fälle erhalten und erweitert werden: Ab Oktober wird eine Fernsehschule für Kinder eingerichtet. Miriam Hoffmeyer