Gut gemeint, aber zu aufgemotzt

■ ZDF-Matinee zum Weltkindertag mit Kurzfilmen, So., 10.15 Uhr

Die Idee ist gut gemeint. Sechs Filmemacher, darunter so berühmte wie der Franzose Jean-Luc Godard und Lino Brocka aus den Philippinen, drehen einen Kurzfilm über Kinderleben in ihrem Land. Herausgekommen sind, erwartungsgemäß, erschütternde Dokumente. Fiktive Geschichten zwar, die aber ebenso wahr sein könnten. Wir sehen zum Beispiel ein von ihren Eltern mißhandeltes Mädchen aus Rußland, das seine erlittenen Qualen im Rollenspiel an Puppe und Teddy ausläßt, sie beschimpft und mit Schlägen und Tritten zu Tode traktiert; erleben den Arbeitseinsatz eines kleinen philippinischen Jungen, der beim Tauchen für eine Fischereigesellschaft ums Leben kommt.

Diese grausamen Geschichten vom Leiden und Sterben zweier Kinder lassen niemanden unberührt. Doch das Furchtbare ist, wir wissen es längst und haben es alle schon zigmal im Fernsehen gesehen: das sind keine Einzelfälle. So wie diese zwei Kinder müssen Millionen andere auch leben. Wir wissen auch, daß die Realität oft weit grausamer ist. Ob wir an die Leichen der erschossenen Kinder im ehemaligen Jugoslawien denken oder an die bis zum Skelett abgemagerten Menschen in Somalia, diese Bilder flimmern uns täglich ins Wohnzimmer. Davor kann niemand die Augen verschließen. Wir brauchen keine Fernsehsendung zum Weltkindertag, um über das Elend und die Not der Kinder dieser Welt aufgeklärt zu werden.

Diese aufwendige, mit Beteiligung von internationalen Fernsehgesellschaften, der Unicef, der EG und dem Internationalen Roten Kreuz produzierte Sendung bestätigt nur die allseits bekannten Fakten: Ob in Ost oder West, in den Industrienationen oder den ärmsten Ländern der Welt, Kinder haben keine Lobby. Kinderrechte werden mit Füßen getreten: das Recht, geliebt zu werden, das Recht auf Schutz vor Ausbeutung, das Recht auf Erziehung und ein Leben ohne Krieg, das Recht auf Chancengleichheit, das Recht auf ein Leben ohne Gewalt und das Recht auf Leben. Jedes Jahr zum Weltkindertag wieder neu auf Hochglanzpapier gedruckt und meist schon Makulatur, bevor es in Umlauf kommt. Weil immer noch täglich Tausende sterben. Weil die Gewalt gegen Kinder zunimmt... Wenn mit den Kurzfilmen erreicht wird, daß für die Kinder im ehemaligen Jugoslawien gespendet wird — im Abspann wird dazu aufgerufen —, ist schon viel gewonnen. Mehr kann dieser Film nicht erreichen.

Das ZDF präsentiert die sechs Kurzfilme in einer Rahmengeschichte, gestaltet vom Kinderzirkus Linoluckynelli und dem Clown Pello. Um „das Fernsehpublikum am Sonntag morgen in einer stärkeren Form zu motivieren“, wie es heißt. Vielleicht sind diese satten Mittelschichtskinder geeignet, den Erwachsenen mit ihrem Lächeln und ihren Kunststückchen das Geld für eine Spende aus der Tasche zu ziehen. Ansonsten ist diese Rahmengeschichte nur peinlich. Zu bemüht, zu sozialpädagogisch aufgemotzt. Ein gutes Herz macht noch keinen guten Film. Heide Soltau