Scheinverhandlungen

■ Hat die Genfer Konferenz sich bereits mit der Aufteilung Bosniens abgefunden?

Scheinverhandlungen Hat die Genfer Konferenz sich bereits mit der Aufteilung Bosniens abgefunden?

Obwohl sich die Führer der bosnischen Serben und Kroaten sowie Vertreter der muslimischen Regierung in Sarajevo gestern zum erstenmal zumindest an getrennte Tische bei der Genfer Konferenz begeben haben, gilt weiterhin: Keine der drei Kriegsparteien hat ausreichende Motive, sich konstruktiv an den Verhandlungen zu beteiligen. Unterstützt von Belgrad spielt Karadzic weiterhin Katz und Maus mit den Genfer Konferenzpräsidenten Vance und Owen. Fernziel der bosnischen Kroaten — darüber können die noch stattfindenden Gefechte mit den Serben nicht hinwegtäuschen — ist die mit Karadzic längst vereinbarte Aufteilung Bosnien-Herzegowinas auf Kosten der Muslime. Und bei den Muslimen verstärkt sich der Eindruck, daß die in UNO und vor allem in der EG federführenden Staaten insgeheim auch diese „Lösung“ im Auge haben und die Genfer Konferenz nur betreiben, um den Schein zu wahren. Allen feierlichen, offiziellen Bekenntnissen zum Trotz, wonach gewaltsame Grenzveränderungen und Landgewinne „von der internationalen Staatengemeinschaft niemals akzeptiert“ würden. Tatsächlich lassen deutsche und andere westeuropäische Diplomaten in Genf inoffiziell bereits wissen, daß die Umsetzung dieses Versprechens „natürlich nicht die Rückgabe eroberter Gebiete bedeutet“, sondern lediglich „einen territorialen Ausgleich“. Auch die Äußerungen des stellvertretenden Planungsstabschefs im Bonner Außenministerium, von dem Hagen, auf einer Veranstaltung der Friedensbewegung Anfang der Woche in Bonn weisen in diese Richtung: Es gebe „keine politische Lösung“, eine militärische Intervention sei „auszuschließen“, die Sanktionen funktionierten nicht. Daher bleibe nur die „Ausfechtung des Krieges, bis die Kräfte zu Ende gehen“. Diese subjektiv ehrlichen Äußerungen unterscheiden sich zwar wohltuend von der Radikalrhetorik, die Bundesaußenminister Kinkel derzeit in der Jugoslawienfrage zur Schau trägt. Warum die Wirtschaftssanktionen und damit das potentiell wirksamste Druckmittel auf Belgrad und die bosnischen Serben nicht durchgesetzt werden, beantwortete von dem Hagen nicht. Tatsache ist, daß die westlichen Staaten seit Verhängung der Sanktionen immer genau und sofort wissen, wer sie wann und wo bricht. Mit den schon bislang installierten Satelliten und AWACS-Systemen registriert die Nato nach Auskunft ihrer zuständigen Experten im Brüsseler Hauptquartier „jede Zigarettenschachtel, die nach Serbien eingeführt wird und stellt deren Marke fest“. Es drängt sich eine ebenfalls zynische Erklärung auf: Die erfolgreiche Beendigung dieses Krieges in Südosteuropa mit nichtmilitärischen Druckmitteln darf nicht sein, weil dadurch die mit dem Zusammenbruch der Ost-West-Konfrontation begonnene Delegitimierung des Militärs in den westlichen Staaten noch verstärkt würde. Andreas Zumach, Genf