: Rabin vor schwierigen Entscheidungen
Verhandlungen zwischen Israel und Syrien in der Sackgasse/ Damaskus fordert klare Antwort auf Rahmenvorschlag für Friedensschluß/ Wahrscheinlich letzte Gesprächsrunde vor US-Wahlen ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Die Erfolgsmeldung über einen „Durchbruch“ bei den israelisch-syrischen Verhandlungen, gestern aus Washington gemeldet, kam zu früh. In Wirklichkeit sind die Gespräche in eine neue Sackgasse geraten, aus der — wie die Syrer behaupten — nur die amerikanische Intervention heraushelfen kann.
Syrien hat es eilig und ist bemüht, ein Rahmenabkommen über einen Frieden mit Israel noch vor den amerikanischen Präsidentschaftswahlen abzuschließen. Der syrische Vertragsvorschlag über die Grundlagen des Friedensschlusses fordert, daß Israel die Souveränitätsrechte Syriens im Golan anerkennt. Darüber hinaus soll Israel eine Rückgabe der 1967 eroberten Gebiete im Golan prinzipiell zusagen. In diesem Fall werde sich Syrien bereit erklären, von Israel geforderte einstweilige Sicherheitsmaßnahmen zu akzeptieren, einschließlich der Stationierung amerikanischer Truppen im Golan- Gebiet. Am Donnerstag hatten die syrischen Vertreter bei den bilateralen Gesprächen in Washington ihre israelischen Verhandlungspartner aufgefordert, klar zu sagen, ob Israel diesem Vorschlag zustimmt. Dazu hatte die israelische Delegation sichtlich keine Vollmacht. So lautete die Antwort: Die bisher laufenden Verhandlungen sollen mit dem Ziel weitergeführt werden, im Laufe der Zeit eine für beide Seiten akzeptable Kompromißformulierung zu finden. Die soll dann als Grundlage für weitere Verhandlungen dienen.
Israel wünscht jetzt in erster Linie eine Antwort auf die Frage zu erhalten, „was sich Damaskus unter einem Frieden mit Israel genau vorstellt“. Damaskus soll vorab klar erklären, daß es sich um einen „vollständigen“ Frieden handelt: zu dem unter anderem Normalisierung und volle diplomatische Beziehungen gehören. Vor allem soll der israelisch- syrische Vertrag „auf eigenen Füßen“ stehen. Und er darf in keiner Weise in Zusammenhang mit Verhandlungen oder Beziehungen zwischen Israel und anderen arabischen Staaten (oder den palästinensischen Verhandlungspartnern Israels) gebracht werden. Dies würde bedeuten, daß Syrien sich sofort verpflichtet, aus der gemeinsamen Front der arabischen Verhandlungspartner Israels „auszusteigen“.
Die zur Vermittlung aufgerufenen US-Diplomaten erklären, daß die verschiedenen Delegationen selbst eine Lösung finden müssen. Allerdings treffen sich die Vertreter des US-Außenministeriums jetzt fast täglich zu intensiven Gesprächen mit den einzelnen Delegationen. Sie teilen gegenwärtig den Standpunkt Syriens, weil er eine fast sofortige Rahmenlösung verspricht und den verschiedenen amerikanischen Interessen optimal Rechnung trägt.
Angesichts dieser Situation steht Regierungschef Rabin jetzt, eine Woche vor Beendigung der sechsten und wahrscheinlich letzten Gesprächsrunde vor den amerikanischen Wahlen, vor einer schwierigen Entscheidung: entweder das syrische Angebot zu akzeptieren — oder den gesamten Verhandlungsprozeß nach den amerikanischen Wahlen von Grund auf neu zu beginnen. Am Donnerstag erklärte Rabin, Israel habe gegenwärtig eine vielleicht so bald nicht wieder zurückkehrende Möglichkeit, wichtige und praktisch risikolose Erfolge zu erzielen. Die Frage ist, ob die Regierung stark genug ist, um zu diesem Zeitpunkt beschließen zu können, daß Israel im Prinzip bereit ist, für einen vollen Friedensvertrag die gesamten Golan-Höhen an Syrien abzugeben.
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