Wege aus dem Verkehrschaos

SPD-Fachkonferenz ergab: Park+Ride Plätze ziehen Verkehr an /  ■ Eimsbüttel und Uni-Viertel als Fußgängerzonen

Wahre Sturzbäche von Ideen, wie das Verkehrschaos in Hamburg zu bewältigen sei, ergossen sich am vergangenen Freitag und Samstag über die GenossInnen der SPD. Bürgerschaftsfraktion und Landesorganisation hatten zu einer „Fachkonferenz Verkehr“ in die Hauptwerkstatt der Hamburger Hochbahn AG eingeladen.

Eine Podiumsdiskussion und vier Arbeitsgruppen brachten eine ganze Reihe Überraschungen an den Tag, für alle Beteiligten. Verkehrssenator Eugen Wagner versuchte zunächst politische Pflöcke zu setzen, von denen so mancher im Verlauf der Veranstaltung rigoros demontiert wurde. Zum Beispiel verwies Wagner auf das Senatsprogramm zum Ausbau des Park+ Ride-Systems, mit dem bis zum Jahre 1995 rund 7000 neue Stellplätze geschaffen werden sollen. „Dieses Programm ist notwendiger denn je, denn jeder Pkw weniger in der Stadt ist ein Gewinn.“ Ausdrücklich betonte Wagner, daß die Hamburger sich daran gewöhnen müßten, „daß künftig nicht mehr alles möglich ist“. Er meinte damit vor allem Restriktionen gegen Autofahrer, ob sie nun Nahverkehrsabgabe, Lenkungsabgabe oder Finanzierungsabgabe heißen.

Diesen Thesen widersprach die Arbeitsgruppe „Arbeit und Wohnen“ einhellig und ganz entschieden. Zur Überraschung Wagners und der GenossInnen sehen die Experten einen Ansatzpunkt zur Reduzierung des Verkehrs eben nicht in finanziellen Daumenschrauben für Autofahrer, sondern in der Einschränkung des ruhenden Verkehrs. Weil öffentlicher Boden keine Parkfläche sein dürfe, müsse das Parkplatzangebot drastisch verringert werden. Es gäbe Städte mit nur wenigen hundert öffentlichen Parkplätzen, in der City Hamburgs aber wären es viele tausend.

Auch P+R-Plätze würden nicht wirklich den Verkehr reduzieren. Zwar ließe sich dadurch möglicherweise die Innenstadt entlasten, so die Arbeitsgruppe, die grundsätzlichen Probleme des Verkehrs würden aber lediglich verlagert. Parkplätze in der Nähe von U- und S-Bahnstationen übten eine Sogwirkung auf den Einzelhandel aus. Es entstünden nahezu zwangsläufig mehr oder weniger große Einkaufszentren, und die Wirtschaft würde die notwendige Infrastruktur einfordern mit der Konsequenz, daß zusätzlich Straßen gebaut werden müßten.

Überhaupt hielten die Arbeitsgruppen den politisch Verantwortlichen mehrfach vor, eine dilletantische Verkehrspolitik zu betreiben. „Wir brauchen keine neuen Verkehrspläne, sondern Geld.“ Die Schubläden würden vor Gutachten überquellen. Kernsätze, die saßen. Nicht nur Stadtentwicklungssenatorin Traute Müller, sondern auch Eugen Wagner fanden selbstkritische Worte. Die Fehler der vergangenen Jahrzehnte würden bis in die heutige Zeit fortgesetzt, meinte Traute Müller, und verwies auf das Beispiel Allermöhe. Dort seien zwar viele Wohnungen, aber kaum Arbeitsplätze geschaffen worden. Mit einer solchen Planung werde auch Verkehr produziert. Und Wagner ermahnte sich selbst, „mehr zu schauen, was die anderen erfolgreich umgesetzt haben“.

Ideen hatte er unlängst in Münster abgeguckt. Wagner („Ich bin ein Fahrrad-Fan“) möchte das Uni- Viertel und Teile von Eimsbüttel weiträumig für Radfahrer und zu Fußgängerzonen umgestalten. Eine Zielrichtung, die von den Konferenzteilnehmern insgesamt geteilt wurde. Es müßte darauf hingearbeitet werden, daß längere Fahrwege mit öffentlichen Verkehrsmitteln, zum Beispiel auch mit Non-stop- Fahrten der Schnellbahnen, und andererseits kurze und mittlere Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden können.

Selbstkritik auch beim Thema Güter- und Geschäftsverkehr. Bislang sei man von einem Anteil am Gesamtverkehrsaufkommen von 15 Prozent ausgegangen, „und jetzt taucht ein Gutachten auf, das von 50 Prozent ausgeht“. „Die haben genau hingesehen und den Pizzaservice und Stadtkurier mitgezählt“, meinte der verkehrsploitische Sprecher der SPD-Fraktion, Hermann Scheunemann. Norbert Müller