Wohlkomponiertes Chaos

■ Mit Zappa, Schnittke und Strawinsky: 121 Junge PhilharmonikerInnen

Am Freitag abend um Viertel vor acht sah es vor der Glocke fast aus wie auf dem Schulhof eines Oberstufenzentrums: die Musikfest- Veranstalter hatten Schulklassen und —kursen ein Sonderangebot gemacht und damit der Jungen Deutschen Philharmonie ein Konzert vor unverdient halb leeren Rängen erspart. Das außergewöhnliche Programm des außergewöhnlichen Orchesters — es besteht aus StudentInnen und AbsolventInnen der Musikhochschulen — schien das Musikfestpublikum nicht allzusehr zu reizen. Es hat aber einiges verpaßt.

Die jungen MusikerInnen bewegen sich nämlich nicht auf ausgetretenen Pfaden, sondern gestalten ihre Programme mit großer Sorgfalt selbst. Frank Zappa, Alfred Schnittke und Igor Strawinsky, so ganz unterschiedliche Komponisten, haben manches gemeinsam: Sie alle verwenden in ihren Werken verschiedene Stile und Kompositionstechniken als Ausgangsmaterial.

Mit Spannung wurde natürlich die offensichtlichste Attraktion des Abends erwartet: Bogus Pomp des Ur-Freaks Frank Zappa (geb. 1940). Dieses Stück gerät sehr bald aus den Fugen: das mit theatralischem Eifer gespielte Bratschensolo muß sich von den (sehr guten) anarchischen Perkussionisten einen Rythm'n-Blues-Groove gefallen lassen; als der Cellist plötzlich in eine Lücke improvisiert, wird er von den Bläsern ausgebuht ... Die Dirigentin Sian Edwards hatte dieses wohlkomponierte Chaos immer souverän in der Hand. Aber dort liegt die Crux des Stückes: ein Aufstand im Orchester, der komponiert und dirigiert wird, wirkt mehr als komische Oper denn als Kritik an Hierarchien.

Der Höhepunkt des Abends war das Konzert für Viola und Orchester, das der in Moskau und Hamburg lebende Komponist Alfred Schnittke (geb. 1934) 1985 vollendete. Schnittke zeigt bei diesem Stück mehr Mut zur Dissonanz als Zappa und bezog in der Solobratsche auch Microtöne und Schleifer mit ein. Die Solistin Tabea Zimmermann wurde diesem gewichtigem Werk gerecht: sie überzeugte sowohl in den kraftvollen Solopartien als auch im Zusammenspiel mit dem Orchester.

Nach der Pause erklang von einem der Altmeister der Modernen, Igor Strawinsky (1882-1971) die Symphony in Three Movements. Auch hier wieder Anklänge an Spätromantiker, aber auch, wie in der Fuge des letzten Satzes, an barocke Formen. Orchester und Dirigentin bezwangen auch diesen Brocken kraftvoll und sicher, auch wenn die kammermusikalischen Passagen noch differenzierter klingen könnten.

Die Junge Deutsche Philharmonie zeigte, daß Lebendigkeit und Spielfreude der Qualität keinen Abbruch tun muß — das Publikum dankte es ihr mit viel Beifall. Wilfried Wiemer