Eggert tritt an gegen Bonner CDU-Gekungel

Dresden (dpa) — Einer der prominenten Reformpolitiker der ostdeutschen CDU, der sächsische Innenminister Heinz Eggert, wird sich um einen der Stellvertreter-Posten im CDU-Bundesvorstand bewerben. Der CDU-Landesvorstand unterstützte am Samstag in Dresden in geheimer Wahl mit 19 von 25 Stimmen seine Bewerbung für dieses Amt. Eggert ist damit neben Volker Rühe, Norbert Blüm, Angela Merkel und Erwin Teufel der fünfte Bewerber um einen der vier Stellvertreter-Posten. Gewählt wird beim CDU-Bundesparteitag vom 25. bis 28. Oktober. Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf begründete die Kandidatur Eggerts mit den Worten, der „sehr erfolgreiche Innenminister“ sei neben Teufel der einzige Kandidat, der nicht der Bundesregierung angehöre. Er wünsche sich eine größere Eigenständigkeit des Bundesvorstandes im Verhältnis zur Regierung.

Das Bonner Konrad-Adenauer- Haus muß die Bewerbung des selbstbewußten Sachsen als Provokation aufnehmen. Alles war so schön ausgedacht: vier Kandidaten für vier Vizeposten, drei Westdeutsche und eine Ostdeutsche, drei Mitglieder gehören der Bundesregierung an, nur einer nicht.

Eggert, geboren in Rostock, 46 Jahre alt, läßt sich schwer in gängige Klischees pressen. Manchmal erzkonservativ, wirbt der Minister um „nationale Identität“ der Deutschen. Dann plädiert er für Sachkoalitionen mit der SPD. Zum Bier trifft er sich mit der alternativen Szene in den Cafés der Dresdner Neustadt, beim Gespräch mit PDS-Parteichef Gregor Gysi findet er — wie mit vielen anderen — schnell zum jovialen „Du“.

Wie schon mit Biedenkopf, so wird es Kohl auch mit Eggert nicht leicht haben. In der DDR, meint der Kandidat aus Sachsen, habe es „1.000 Lehrbücher gegeben, wo drinsteht, wie wir den Sozialismus in der Bundesrepublik installiert hätten“. Und in Bonn? Der Vollzug der deutschen Einheit komme nicht schnell genug voran, sagt der Sachse. „Ich hoffe, daß die Aufgeregtheit des Hühnerhofes irgendwann durch die maßgeblichen Hähne besänftigt wird.“ Moralist ist Eggert, jahrelang Theologe in Zittau im Südostzipfel der DDR, auch in der Politik geblieben. Das Bundesverdienstkreuz, das ihm im Oktober verliehen werden soll, wollte er erst nicht annehmen, weil er sich nicht für verdient genug hält.

Eggert ist neben Biedenkopf in Sachsen der einzig wirklich populäre CDU-Politiker. Mit seiner nicht abgesprochenen Kandidatur gibt sich die Union im Freistaat selbstbewußt wie nie. Im Rücken hat sie die deutschlandweit einzige CDU-Alleinregierung auf Länderebene. Der knapp 30.000 Mitglieder zählende Landesverband gibt sich stabil— kaum noch Streitereien zwischen früheren Blockpartei-Aktivisten und Neu-CDUlern, die erst nach der Wende eingetreten sind. Parteireformer Eggert, obwohl selbst lange Zeit von Stasi und DDR-Staat terrorisiert, hat mit dazu beigetragen, daß die Sachsen-CDU mit ihrer eigenen inneren Einheit „keine Probleme“ mehr sieht.