Ordensmann Stolpe weiter unter Druck

■ Erstmals fordern Bischöfe den Rücktritt des Ministerpräsidenten/ Widersprüchliche Angaben über Verleihung der DDR-Verdienstmedaille/ Pfarrer Eppelmann: „Stolpe hat mich an die Stasi verraten“

Berlin (AP/taz) — Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) gerät zunehmend unter Druck. Am Wochenende haben erstmals evangelische und katholische Bischöfe den früheren Konsistorialrat wegen seiner Stasi-Kontakte zum Rücktritt aufgefordert. Die lutherische Bischöfin Maria Jepsen erklärte, Stolpe wäre nach der Debatte um seine Auszeichnung mit der DDR-Verdienstmedaille im Jahre 1978 gut beraten, sein Amt bis zur Aufklärung der Vorwürfe ruhen zu lassen. Auch der Fuldaer Erzbischof Johannes Dyba sagte, Stolpes Zögern und Zaudern verhindere die Aufrichtung neuer und klarer moralischer Maßstäbe in den neuen Bundesländern. Er solle Einsicht zeigen und selbst zurücktreten.

Auch der Präsident der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Otto von Campenhausen, und die brandenburgische Bildungsministerin Marianne Birthler (Bündnis 90) sind nach einem Bericht des Spiegel auf Distanz zu Stolpe gegangen. Wie das Magazin berichtet, hat Stolpe dem Kirchenamtspräsidenten mehrfach widersprüchliche Angaben über die Medaillenverleihung gegeben.

Stolpe hatte nach Vorlage des neuen Gauck-Berichts erklärt, er habe die Medaille durch den früheren Staatssekretär für Kirchenfragen, Hans Seigewasser, während eines Vier-Augen-Gesprächs in den Diensträumen des Staatssekretariats erhalten. Nach Aussagen des EKD- Präsidenten Campenhausen soll Stolpe ihm aber am 3.9. übermittelt haben, Seigewassers Vize Hermann Kalb habe ihm den Orden angeheftet. Für Ministerin Birthler hat Stolpe seine Stasi-Kontakte bis heute nicht überzeugend geklärt: „Um Menschen zu helfen, war diese Kontaktdichte zur Stasi nicht erforderlich. Stolpe hat uns getäuscht, Gemeindemitglieder und Oppositionelle.“

Der Direktor der Gauck-Behörde, Hansjörg Geiger, wies in einem Interview mit der Bild-Zeitung unterdessen den Vorwurf zurück, seine Behörde habe nur Stolpe belastendes Material an den Untersuchungsausschuß geliefert. „Auftrag war, alle bei der Behörde vorhandenen Erkenntnisse hinsichtlich einer IM-Tätigkeit Manfred Stolpes zusammenzustellen. Das haben wir getan.“ Zum Einwand Stolpes, selbst kontrolliert und abgehört worden zu sein, meinte Geiger: „Ganz allgemein gilt: Jeder Geheimdienst überprüft die eigenen Mitarbeiter von Zeit zu Zeit auf ihre Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit. Da wird mal eine Woche das Telefon abgehört oder ein Brief geöffnet. Dadurch werden aus Tätern keine Opfer.“

Manfred Stolpe soll auch jahrelang versucht haben, den regimekritischen Ostberliner Pfarrer Rainer Eppelmann aus der Kirche von Berlin-Brandenburg zu entfernen. Dies erklärte die Fraktion von Bündnis 90 unter Berufung auf den neuen Recherchebericht der Stasi-Akten-Behörde. Stolpe beteuerte dagegen, daß die Kirchenleitung den Pfarrer von Anfang an vor staatlichem Zugriff zu schützen versucht habe. Eppelmann sah dies anders. Der Bild am Sonntag sagte er: „Jetzt muß ich anhand der Akten aus der Gauck-Behörde feststellen: Der Mann, dem ich vertraut habe, hat mich an die Stasi verraten.“

Dem Spiegel zufolge hat die Stasi auch mit Sexparties versucht, auf die evangelische Kirche Einfluß zu nehmen. Dafür habe sie eine Spezialagentin mit dem Decknamen „Micha“ eingesetzt. Die Jurastudentin habe bis Ende 1989 über das Privatleben von Kirchenfunktionären berichtet, aber auch in einer vom MFS gestellten Wohnung Sexparties mit ihnen veranstaltet. wg