Arbeitsressort reif für den Konkurs

■ Seit Monaten kriegen ABM-Stammkräfte kein Geld mehr / „Die sind nicht mehr liquide“

In Bremerhaven sind 200 ABM- Stellen vom Bundesamt für Arbeit in Nürnberg zugesagt — fünfMillionen Mark stehen bereit. Die Stellen können nicht eingerichtet werden, und das Geld aus Nürnberg kann nicht ins Bundesland Bremen fließen, weil die erforderlichen Komplementärmittel Bremens nicht da sind. Sie stehen zwar im Haushalt und sind von der zuständigen Arbeitsdeputation am 30.6.92 beschlossen wurden, fließen aber nicht nach Bremerhaven.

Schon für 1990 und 1991, so Bremerhavens Sozialdezernent Lemke, sind Landesmittel nicht nach Bremerhaven geflossen. „Warum die nicht geflossen sind, wissen wir auch nicht“, sagt der Bremerhavener FDP-Politiker Jungclaus. Er sitzt in der Arbeitsdeputation und hat jetzt erst von dem Finanzgeschiebe erfahren. Die Ampel-Politiker der Arbeitsdeputation waren in den letzten Tagen auf das Loch gestoßen, hatten von dem für das Arbeitsressort zuständigen Staatsrat und der Senatorin aber keine befriedigende Auskunft bekommen können. Jungclaus: „Wir tappen im Dunkeln.“ Angeblich, so berichtet die Nordsee-Zeitung, soll der damalige Arbeitssenator Wedemeier um Aufschub der Zahlungen gebeten haben, um mit dem Bremerhaven zustehenden Geld in Bremen-Stadt entstandene Löcher zu schließen. 5 Millionen betragen die Außenstände, sagt das Arbeitsressort. 7 Millionen sind es, sagt das Finanzressort. 12 Millionen, sagt der Bremerhavener Sozialdezernent Lemke.

Die Nachzahlungen tauchen allerdings auch nicht in dem Haushalt 1992/93 auf, der vor 14 Tagen verabschiedet wurde.

Allein im Bereich „Stammkräfte“ sieht es so aus: Im Etat standen 2,5 Millionen für 1991. Ausgegeben wurden wurden allerdings insgesamt 4,5 Millionen. Das Problem hat nicht dazu geführt, daß für 1992 der Etatansatz erhöht wurde. „90 Stammkräfte kann man ja auch nicht mit 2,5 Millionen finanzieren“, rechnet Anja Blumenberg vom „Netzwerk Selbsthilfe“ im Kopf nach: Wenn für jede Stammkraft mit 60.000 Mark im Jahr angesetzt wird, kommen 4,5 Millionen dabei heraus. Verfügt das Arbeitsressort nicht über einen Taschenrechner? Das Arbeitsressort gibt sich zugeknöpft. Die Vorwürfe des Bremerhavener Sozialdezernenten? „Das fragen wir uns auch, was dahinter steckt“, sagt Arbeitsressort-Sprecher Henschen. „Wir versuchen, der Sache auf den Grund zu gehen.“ Den Koalitionspartnern ist ein Bericht versprochen worden.

Die betroffenen Sozial-Projekte, die oft auf das Geld angewiesen sind, wissen indessen seit langem, was Sache ist. Sie bekommen trotz Zusagen ihr Geld nicht. Das Netzwerk-Selbsthilfe hat seit April für zwei Stammkräfte keinen Pfennig bekommen. Der „Verbund gegen Jugendberufsnot“ hat Projektmittel, die ihm für 1992 zustehen, bekommen. Die Bremer Arbeitslosen-Selbsthilfe (BRAS) hat eine feste Zusage über eine Stammkraft, aber seit Monaten kein Geld dafür gesehen. ABM-Mittel wurden auch aus dem EG-Topf finanziert - jetzt fehlt es bei den EG- Komplementärmitteln.

Die Projekte haben wegen geschwiegen, weil sie abhängig sind von ABM- und Projektmitteln — und weil sie Angst haben, daß ihnen nach öffentlicher Kritik der Hahn ganz abgedreht wird. „Das hat sich schon sehr lange zugespitzt“, sagt Anja Blumenberg vom Netzwerk. Die Finanzlage im Arbeitsressort sei „ausgesprochen desolat“, im Klartext: „Die sind nicht mehr liquide.“ K.W.