KOMMENTARE
: „Weiter so“

■ Die Politik der Bundesregierung nach dem französischen Referendum zu Maastricht

Knapper hätte das oui zu Maastricht nicht ausfallen können. Um so mehr muß das einhellige „Weiter-so“ seitens der Bundesregierung und der Europa-Kommission verblüffen, die — Hauptsache ein Ja — die Macken von Maastricht weiter ungerührt ignorieren.

Es hätte wohl ein knappes non sein müssen, um Eurokraten und Regierungspolitiker zum Nachdenken zu zwingen — zum Nachdenken über die Strategie der politisch gewollten ökonomischen Schnellvereinigung im Vorgriff auf eine Politische Union.

Die Wirtschafts- und Währungsunion der Bundesrepublik mit der DDR war so eine (wenn auch mit großer Mehrheit gewollte) ökonomische Vorwegnahme der politischen Vereinigung. Alle Fehler, die in der Hast der deutsch-deutschen Vereinigung gemacht wurden, werden uns noch über Jahre hinaus beschäftigen; die realexistierenden Probleme daraus haben zudem die Kluft zwischen West- und Ostdeutschen vertieft. Nun läßt sich 1989/90 die große Eile aus dem historischen Kontext rechtfertigen — die politische Entscheidung der DDR-Bevölkerung ließ keine andere Wahl.

Im Falle EG-Europas ist Eile jedoch völlig unangebracht. Nichts wäre verloren gewesen, wenn sich die EG-Regierungen noch ein oder zwei Jahre mit dem „Vertrag zur Europäischen Union“ Zeit gelassen hätten; so lange nämlich, bis er tatsächlich fertig gewesen wäre. Dann auch hätten die Regierungen mit dem Vertrag für ein Ja werben können, anstatt hilfsweise damit zu drohen, daß jeder, der gegen Maastricht stimmt, damit automatisch gegen Europa und für den Nationalismus votiere sowie einen neuen Krieg zwischen westeuropäischen Staaten billigend in Kauf nehme.

Der politische Schaden des Maastrichter Stückwerks ist heute sehr viel größer, als er bei langsamerer Gangart je hätte werden können. Die EG- EuropäerInnen waren ja bislang im großen und ganzen mit den bisher erreichten Gemeinsamkeiten zufrieden, die seit den Römischen Verträgen in immerhin 35 Jahren gewachsen ist.

Das schwache Ja der angeblich so europabegeisterten Französinnen und Franzosen könnte jetzt unvermutet zum neuen Stolperstein auf der Ratifizierungsstraße werden. Denn es überzeugt nicht; nicht die Devisenmärkte, wie die gestern weiter abgesackten Kurse von Pfund und Lira zeigen, und erst recht nicht die ohnehin Europa-abstinenten Briten, wie Majors Hinauszögern der Europadebatte nahelegt.

Trotz des Ja in Frankreich ist der Zeitplan zur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, dem einzigen ausverhandelten Teil der Maastrichter Verträge, nach den Ereignissen der vergangenen zwei Wochen unrealistischer denn je. Die harten Stabilitätskriterien erfüllen ohnehin nur Frankreich, Luxemburg und Dänemark, das wegen seines Referendums der Währungsunion nicht beitreten kann.

Das Auseinanderbrechen des Systems fester Wechselkurse machte schlagartig deutlich, daß sich die EG-Volkswirtschaften nicht genügend aufeinander zu entwickelt haben. Es zeigt auch, wie unsinnig es ist, Gemeinsamkeit über eine Einheitswährung herstellen zu wollen, wenn gleichzeitig die Wirtschaftspolitiken auseinanderdriften. Solange sich die Regierungen nicht auf ein gemeinsames politisches Vorgehen einigen können, wird auch eine gemeinsame Währung nicht funktionieren.

Für die deutsche Ratifizierungsdiskussion lassen die „Weiter-so-Appelle“ und das „Ist-ja-gerade-noch-mal-gutgegangen“ der Bundesregierung das Schlimmste befürchten. Maastricht muß durchgezogen werden, gerade nach Rostock. Weil die reale Regierungspolitik rechte Ausländerfeinde weiter zu Gewalttaten ermutigen wird, braucht sie dringend gegenüber dem Ausland ein Symbol dafür, daß das vereinte Deutschland nicht auf dem Weg zurück in die 30er Jahre ist. In Ermangelung von Alternativen müssen die völlig ungeeigneten Maastrichter Verträge zu diesem Symbol werden. Schlimmer noch, sie sind es schon, wenn man der durchgängig veröffentlichten Meinung zuhört: Maastricht = Europa = Zivilisation = Frieden = Bollwerk gegen Osteuropas Kriege.

Gegen Symbole läßt sich schwer argumentieren. Wenn es in Deutschland zum Referendum kommt, wird man uns nicht, wie noch die Dänen und Iren, über ein Vertragswerk abstimmen lassen, das demokratische Mängel aufweist. Egal, wie der Referendumstext formuliert werden wird, die Frage an uns Deutsche wird lauten: Sind Sie ein zivilisierter Europäer oder ein kriegslüsterner Nationalist. Diese Frage darf meinethalben das Parlament allein entscheiden. Donata Riedel