Arbeiter und Bauern stimmten mit „Non“

■ Eine soziale Trennlinie geht durch Frankreich: Unter den Gegnern der Maastricht- Verträge befinden sich Befürworter eines schnelleren Weges zur Europäischen Union

Wenn Frankreich am Sonntag ein neues Parlament gewählt hätte, müßte Mitterrand sich jetzt auf eine neue Phase der Cohabitation mit einer bürgerlichen Regierung einstellen. Denn den beiden konservativen Parteien RPR und UDF ist es gelungen, bei dem Maastricht-Referendum entschieden mehr Stimmen zu sammeln als die regierenden SozialistInnen — sowohl für das „Oui“ als auch für das „Non“.

So stammt das „Oui“ zu den Verträgen nicht vorrangig aus sozialistischen Hochburgen. Gerade in den christdemokratischen Gegenden war die Zustimmung groß. Dort, wo die SozialistInnen traditionell wenig zu melden haben und Mitterrand nicht gerade beliebt ist, erntete Maastricht dennoch bis zu 60 Prozent der Stimmen. Besonders groß war die Zustimmung im Elsaß, wo die SozialistInnen nur viertstärkste Partei sind. Dort wollen 65 Prozent der WählerInnen die Verträge. Die ElsässerInnen gaben auch den Ausschlag für das „Oui“ auf nationaler Ebene. SpitzenpolitikerInnen aller großen Parteien hatten in dem Grenzland für die Verträge mobilisiert — auch die rechstextreme Partei „Alsace d'abord“ (Das Elsaß zuerst), eine Abspaltung von der Front National. Eine Rolle könnte die starke europäische Vernetzung des Elsaß spielen. Täglich pendeln von dort aus mehr als 60.000 Menschen zur Arbeit nach Deutschland und in die Schweiz. In der regionalen Metropole Straßburg stimmten sogar 72 Prozent für die Verträge. Die Stadt ist Sitz von Europarat und Europäischem Parlament.

Positiv stimmten auch die meisten FranzösInnen im Ausland. In Luxemburg — wo viele FranzösInnen für EG-Institutionen arbeiten — stimmten 84 Prozent mit „Oui“, in Deutschland waren es sogar 86 Prozent. Zustimmung ergaben auch die ersten Hochrechnungen in den „Überseeischen Gebieten“.

Mit „Non“ stimmte die Mehrheit der KorsInnen und der BewohnerInnen der Touristenorte an der Côte d'Azur und in der Provence. Auch in der Normandie und in der Picardie überwog das „Non“. An den Herkunftsorten der beiden prominentesten Maastricht-Gegner — der ehemalige sozialistische Verteidigungsminister Chévènement und der frühere Sozialminister Séguin von der neogaullistischen RPR — gewann ebenfalls das „Non“.

Das Referendum zeigt eine klare soziale Trennung: Die meisten ArbeiterInnen und BäuerInnen stimmten zu etwa 60 Prozent gegen die Verträge — Selbständige und ManagerInnen mit 68 Prozent dafür. Die AnhängerInnen von Kommunistischer Partei und rechtsextremer Front National stimmten gegen Maastricht. Entgegen der Empfehlung ihres Parteichefs Waechter stimmten auch die Grünen (Les Verts) zu 57 Prozent gegen die Verträge.

Nicht alle FranzösInnen, die am Sonntag gegen die Maastrichter Verträge stimmten, sind auch gegen eine Europäische Union. Ungefähr 25 Prozent von ihnen wollen vielmehr eine Beschleunigung dieses Prozesses und eine Aufwertung des Europaparlamentes, das bislang nur wenig Einfluß auf die politischen Entscheidungen in Brüssel hat. Dorothea Hahn