Uhl: „Keine Mark verschoben“

■ Sozialsenatorin wehrt sich gegen Vorwürfe / 9,8 Millionen-Loch entdeckt

Am Montag abend war Krisenrunde über die Finanzen im Hause der Senatorin für Arbeit: Fehlen neun Millionen und wenn ja warum? war die Frage. (vgl. taz 22.9.) Der Spiegelreferent des Finanzsenators war vorsichtshalber dabei, wollte sich aber danach nicht zur Sache äußern. „Über die Ergebnisse müssen Sie sich im Arbeitsressort erkundungen“, hießt es.

„Die Ergebnisse gehen noch nicht nach draußen“, sagt Arbeits-Pressesprecher Jörg Henschen: Erst sollen die Ampel-Politiker der Arbeitsdeputation vertraulich darüber beraten.

Soviel aber will das Arbeitsressort schon sagen: Die Behauptung, Arbeitssenator Wedemeier habe 1990 und 1991 mit dem Bremerhavener Sozialdezernenten verreinbart, daß von der Deputation beschlossene Gelder nicht fließen wegen „Haushaltsengpässen“ in Bremen, sei falsch; keine der Nachforderungen Bremerhavens sei aus Sicht des Arbeitsressorts berechtigt.

In einem Schreiben des Sozialdezernenten Lemke vom 28.8.1992 an Sozialdssenatorin Uhl liest sich da ganz anders, und zwar so: „...rufe ich in Erinnerung, daß in den Jahren 1990 und 1991 absprachegemäß keine Zuwendungsbescheide in Höhe der von der Deputation für Arbeit beschlossenen Summen erteilt wurden, weil in Ihrem Hause Haushaltsengpässe bestanden. Die Zuwendungsbescheide sollten deshalb in den jeweiligen Haushaltsnachfolge-Jahren nachgeholt werden.“

„Das stimmt nicht“, sagt der Sprecher des Arbeitsressorts. Im Brief des Bremerhavener Sozialdezernenten aus dem August hieß es aber weiter: „Die Berechtigung für diese Forderung haben Sie zwischenzeitlich schriftlich anerkannt.“ Auch davon weiß man in Bremen angeblich nichts. „Keine einzige Mark ist verschoben worden“, beteuert Arbeitssenatorin Sabine Uhl. Lediglich „Restforderungen aus dem Jahr 1991 für Projekte, die vergangenes Jahr begonnen und in dieses Jahr hineinreichen“, wollte sie gestern einräumen. Die würden „selbstverständlich beglichen“. Von Haushaltsengpässen keine Rede. „Geld kann aber erst dann fließen, wenn der konkrete Bedarf belegt ist.“

Auch das sieht aus Bremerhavener Sicht ganz anders aus. Anlaß des bösen Briefes war, daß ca. 200 ABM-Stellen nicht besetzt werden können, weil das Geld aus Bremen nicht fließt und Bremerhaven schon vorher, so Sozialstadtrat Lemke, „in einem derartig erheblichen Maße in Vorleistung getreten“ ist, daß weitere Vorleistungen „unter keinen Umständen vertretbar sind“. Auch für 1992 mußte Bremerhaven in Vorleistung gehen: Für die 1992 Bremerhaven unstrittig nach Haushaltsbeschlüssen zustehenden 7 Millionen Mark hat Bremen bis heute — drei Viertel des Jahres sind vergangenen — aber gerade 2 Millionen überwiesen. Und dies erst, nachdem Lemke die Zahlung per Einschreiben mit Rückschein angemahnt hatte. Auch Bremer Projekte haben seit Monaten ihnen zugesagtes Geld nicht gesehen.

„Es ist dringend geboten, daß sich der Haushaltsausschuß mit diesen Vorgängen befaßt“, fordert Bremerhavens FDP-Politiker Jungclaus. Eine „Schuldnerberatung“ könnte die Arbeitssenatorin gebrauchen, witzelt die Grüne Marieluise Beck. Nachfragen der Parlamentarier nach dem Haushaltsloch seien „ausweichend beantwortet“ worden.

In der Krisensitzung am Montag abend, deren ergebnisse die Presse noch nicht erfahren darf, hat das Arbeitsressort nur noch einmal zusammengetragen, was den Parlamentariern am 17.9. mündlich erklärt worden war: Im Vergleich zu dem Haushalt 1992/1993, der Ende August verabschiedet worden war, ergibt sich heute schon ein „Mehrbedarf“ von 9,8 Millionen Mark. Grund des Defizits sei u.a. die Tatsache, daß Bremen doch ca. 3.300 ABM-Stellen besetzen kann und nicht nur wie vorher angenommen 2.800 und daß es mehr „Stammkräfte“ gebe als im Haushalt geplant. Warum dies dem Ressort nicht rechtzeitig zu den Haushaltsberatungen eingefallen ist, erklärt das interne Papier nicht. K.W.