»Falscher Polizist« verurteilt

■ Straßenkehrer wurde wegen »menschenverachtender« Vergewaltigung zu dreieinhalb Jahren verurteilt Staatsanwaltschaft hatte vier Jahre gefordert/ Gericht schenkte Alibi der Ehefrau keinen Glauben

Moabit. Die schützende Aussage seiner Frau half dem 30jährigen Straßenreiniger Rainer R. nichts mehr. Vor der 15. Strafkammer des Landgerichts erklärte die 27jährige Claudia R., daß ihr Mann nicht der Täter sein könne, der in Nacht zum 3. Dezember 1989 die Prostituierte Anja B. als »falscher Polizist« entführte, folterte und sexuell mißbrauchte: »Er hat neben mir im Bett gelegen.« Das Gericht hielt diese Aussage offensichtlich für ein falsches Alibi und erachtete die Angaben der Prostituierten für glaubhafter. Rainer R. wurde zu dreieinhalb Jahren Freiheitsstrafe wegen sexueller Nötigung, Entführung, gefährlicher Körperverletzung und Amtsanmaßung verurteilt. Wegen Fluchtgefahr wurde er noch im Gerichtssaal festgenommen. Die Staatsanwältin hatte vier Jahre Freiheitsentzug gefordert.

Die Prostituierte Anja B. hatte Rainer R. beschuldigt, daß er sich in der Schöneberger Kurfürstenstraße als Freier ausgegeben und sie so in sein Auto gelockt hatte. Daraufhin gab er sich als Polizist aus und erklärte ihr, sie sei festgenommen. Er fesselte sie mit Handschellen und betäubte sie mehrmals mit einem in Äther getränktem Leinentuch, um sie dann zu vergewaltigen. Zudem folterte er sie mit einem Elektrostab und biß ihr in die Brustwarze. Die 23jährige Frau konnte nach einer mehrstündigen Irrfahrt entkommen. Erst mehr als ein halbes Jahr später, konnte Rainer R. festgenommen werden. An ihrem Arbeitsplatz in der Kurfürstenstraße erkannte die Prostituierte den Täter wieder und verständigte die Polizei. Vor Gericht trat die Frau sehr couragiert auf. Trotz der psychischen Belastung verlor sie nur einmal die Fassung: Als sie zum Vorsitzenden an die Richterbank treten mußte, um die Lichtbilder ihrer Verletzungen zu »begutachten«, brach sie in Tränen aus.

Obwohl der Straßenreiniger bis zum Schluß die Tat abstritt, folgte das Gericht bei der Begründung des Urteils in weiten Teilen dem Plädoyer der Staatsanwältin. Die Aussagen der 27jährigen Ehefrau erschienen ihr fragwürdig. In einem Kalender, den Claudia R. dem Gericht vorlegte, sind unter dem besagten Datum Eintragungen gemacht, die die Angaben des Verurteilten belegen sollten. Er hatte behauptet, nach der Arbeit auf dem Spandauer Weihnachtsmarkt gegen 23 Uhr nach Hause gekommen zu sein. Zudem hatte die Ehefrau vor Gericht von einem »intimen Tagebuch« gesprochen, in dem der Abend noch detaillierter beschrieben sei. Auf die Frage des Vorsitzenden, ob sie dieses dem Gericht vorlegen könne, erklärte Claudia R., daß sie es weggeschmissen habe: »Wir ziehen ja jetzt demnächst um.« Als strafverschärfend wertete das Gericht die »psychischen Folgen der Tat«. Mit menschenverachtenden Praktiken habe der Angeklagte die Prostituierte zum Opfer degradiert. rak