Gegen Zwangspausen

■ „tv-cesar“ will die Fernsehwerbung abschaffen

Die Spannungskurve steigt gen Unendlich, da bricht der Spielfilm ab: Die bunten Bälle fallen, und Werbung ist angesagt. Auch das Wechseln des Kanals nützt nichts, denn die anderen Privaten bieten ebenfalls gerade Reklame-Spots. Die Mehrheit der ZuschauerInnen fühlt sich von diesen Unterbrechungen genervt. Nur fünf Prozent sind dankbar für derartige Pausen, weil sie schnell einmal pinkeln müssen oder gerade den Schnittchen-, Chips- oder Biervorrat dem Abendprogramm anpassen wollen. Und es kommt noch besser: In gar nicht mehr ferner Zukunft wird eine 30minütige Sendung einmal, die übliche Serie von 45 Minuten zweimal und ein Spielfilm zwei- bis dreimal oder noch öfter durch Werbung unterbrochen werden.

In Berlin stellte sich in der vergangenen Woche eine Gruppe von Kunst- und Filmschaffenden sowie Cineasten der Öffentlichkeit vor, die sich bereits seit über einem Jahr für den Erhalt des ganzheitlichen filmischen Kunstwerkes engagiert: „tv- cesar“. Was an einen Song von Procol Harum und an das schöne altmodische Wort Zäsur erinnert, entpuppt sich als geschickte Initiative gegen die filmzerstörende Wirkung der Werbung.

Der Schritt an die Öffentlichkeit wurde notwendig, weil Zweifel an der Unabhängigkeit der Gruppe entstanden waren. „Wir wirken eigentlich lieber im stillen. Denn wir möchten nicht den Eindruck erwecken, daß wir mit den großen Zeitungsverlagen und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk Hand in Hand arbeiten. Uns geht es allein um ästhetische Kriterien des Films“, sagt das Gründungsmitglied der Initiative, Gerald Martinsen. Das Kunstwerk dürfe nicht künstlich für Werbung zerstückelt werden. Der Gruppe geht es in erster Linie um den Rückzug der Werbung aus den abendfüllenden Fernsehfilmen.

Aline Grimm, erste Öffentlichkeitsarbeiterin von „tv-cesar“, erklärte weiter: „Es kann uns nicht darum gehen, der Wirtschaft und den kommerziellen Sendern zu schaden, wir wollen durch ökonomische Argumente überzeugen.“ Schließlich liefen die attraktiven Filme oft zuerst im Privat-TV. So versuche „tv-cesar“ der werbenden Wirtschaft zu erklären, daß es durch die Filmunterbrechungen bei den interessierten Zuschauern eher zu einer „Antireaktion“ gegen das beworbene und für die Filmunterbrechung verantwortliche Produkt komme. Außerdem — so „tv-cesar“ in einem bislang geheimen Brief an die Industrie — zappten die ZuschauerInnen in der Werbezeit Richtung öffentlich-rechtliche Sender und blieben dort womöglich hängen. Die Ende 1991 gegründete Gruppe versuchte parallel dazu auch, Kontakt zu betroffenen zeitgenössischen Filmkünstlern aufzunehmen und sie in ihre stille Kampagne einzubeziehen — ähnlich wie das vor einigen Jahren in den USA Woody Allen und Martin Scorsese bei ihrem Kampf gegen die TV-Werbung probiert haben. Allerdings, so Grimm, sei es trotz wiederholter Versuche noch nicht gelungen, Leute wie Volker Schlöndorff oder Wim Wenders in die Aktion einzubinden. Die Anti- Spot-Aktivistin skeptisch: „Das hieße wohl sowieso, den Bock zum Bauknecht machen zu wollen.“

Insgesamt stuft Grimm die Arbeit von „tv-cesar“ bislang als nur mäßig erfolgreich ein, weshalb nun daran gedacht werde, sie auf eine breitere Basis zu stellen. Als erster radikaler Schritt sei ein Boykottaufruf gegen „die das Filmkunstwerk zerstörenden Produkte“ aus der Unterbrecherwerbung denkbar. Firmen, bei denen sie bereits Erfolg hatten, wollten die „tv-cesars“ nicht nennen. Doch es gilt als offenes Geheimnis, daß zum Beispiel eine große Hamburger Brauerei sich mit ihrem frischen Friesenbier bereits aus der Unterbrecherwerbung im Fernsehen zurückgezogen hat.

Daß privates Fernsehen ohne Werbung nicht machbar ist, das weiß man auch bei „tv-cesar“. Der Alternativ-Vorschlag der Gruppe heißt deshalb: Spielfilm-Sponsoring, mit Einblendung der beteiligten Firmen im Vor- und Abspann. Peter Huth

tv-cesar, 1000 Berlin 61, Postfach ... (taz Postfach angeben)