piwik no script img

Das „Kuwait Afrikas“ sagt sich von Angola los

In Angolas kleiner Erdöl-Enklave Cabinda pocht eine Guerillafront immer heftiger auf Unabhängigkeit  ■ Aus Cabinda Willi Germund

Der Wachposten mit einem erblindeten Auge springt erschrocken auf, als der Wagen plötzlich um die Ecke der Sandpiste biegt. Das Sturmgewehr im Anschlag, inspiziert er ängstlich die Insassen.

„Willkommen im Freien Cabinda!“ strahlt wenig später der 39jährige Sam Familia die Besucher an. Im Schatten riesiger Bambusstauden steht ein Dutzend Bewaffneter, Frauen und Kinder drängen sich in den Türen der zehn Hütten. Der Flecken Obovo in der ölreichen angolanischen Enklave Cabinda, nahe der Mündung des Kongo-Flusses zwischen Zaire und Kongo gelegen, ist ein Vorposten der „Befreiungsfront Cabindas“ (FLEC-FAC), der Unabhängigkeitsbewegung des nur 7.000 Quadratkilometer großen Landzipfels.

„Unabhängigkeit oder Krieg“ lautet die Botschaft, mit der sich die Rebellen kurz vor den ersten Wahlen in Angolas Geschichte am 29. und 30.September zu Gehör bringen wollen. Aber die kümmerliche Bewaffnung spricht Bände: ein paar israelische und sowjetische Maschinenpistolen, ein paar Revolver, eine Pistole für Leuchtmunition. Die Tarnuniformen würden Sam Familia schon eher ein kriegerisches Aussehen verleihen — würde nicht einer seiner Getreuen im leuchtend orangen Overall und mit Brieftasche neben der Pistole durch die verwilderten Kaffeesträuche stolpern.

Aber Obovo liegt nur 45 Kilometer nördlich der Enklavenhauptstadt Cabinda, und das riesige Areal der von der Ölgesellschaft Chevron betriebenen „Cabinda Gulf Company“ liegt sogar bloß einen Fußmarsch vom Dorf entfernt. Rund 300.000 Barrel Öl werden täglich in Cabinda gefördert — 60 Prozent von Angolas gesamter Ölproduktion.

Der Verlust des Gebietes hätte für Angola schwere Folgen. Das Land liegt gegenüber Kreditgebern mit zwei Milliarden Dollar im Verzug; bisher verhindern die Ölreserven Panik unter den Gläubigern. Aber Sam Familia ist unzweideutig. „Wir hassen die Angolaner“, erklärt er. „Sie haben uns immer nur ausgebeutet.“

Abend für Abend färbt ein gutes Dutzend von Abfackelungsfeuern der Bohrtürme den Horizont vor der Atlantikküste leuchtend rot — für die 170.000 CabinderInnen ein Zeichen der Hoffnung, aus ihrem Zipfelchen Land das Kuwait Afrikas zu machen. Und noch nie waren die Hoffnungen so groß wie heute. Das gegenseitige Mißtrauen ist groß, aber die explosionsartig wachsende Kriminalität und vor allem die Vorbereitung der Wahlen lassen der Regierung Angolas kaum Zeit, den Sezessionsbestrebungen entgegenzutreten. „Wir wollen eine Situation schaffen, über die nach den Wahlen verhandelt werden muß“, beschreibt Sam Fasmilia die Strategie seiner auf 500 Mann geschätzten Organisation. Bis zu den Wahlen hat sie die Enklave zur terre morta erklärt, zum „toten Land“. Ein Ergebnis des Streikaufrufs steht bereits fest: Nur 16.000 CabinderInnen trugen sich in die Wahlregister ein. „Davon sind nur 3.000 aus Cabinda“, behauptet ein Anhänger der FLEC. „Die anderen stammen aus Angola.“

In der letzten Woche verkündete die Unabhängigkeitsbewegung: „Alle Ausländer müssen raus.“ Aus Furcht vor Konflikten fliehen Einwohner bereits über die Grenzen nach Kongo und Zaire. Am Wochenende drängten sich im Hafen von Cabinda so viele Passagiere wie lange nicht mehr vor der zerbeulten und verrosteten Fähre „Angela“, die nach Angolas sicherer Hauptstadt Luanda aufbrach. Ein Kran hievte bis zum Dach beladene Autos auf das überfüllte Deck. Familien mit zusammengelegten Betten über dem Kopf balancierten über Planken in den Schiffsrumpf.

Weder eine MPLA- noch eine UNITA-Regierung können hier auf viele Sympathien hoffen — die MPLA, weil sie jahrelang Cabindas Öl ausbeutete, die UNITA, weil sie mit Südafrikas Unterstützung die Enklave unsicher machte. Staatspräsident Eduardo dos Santos hat jetzt zwar Gespräche über eine Autonomie angeboten. Aber das reicht der FLEC nicht. Unterstützt von Zaire, drängt sie auf völlige Unabhängigkeit.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen