Schlechte Zeiten für Autohersteller

■ Zulassungszahlen gehen drastisch zurück/ Auch im Osten, Motor der deutschen Sonderkonjunktur, gehen die Autokäufe zurück/ Japans Autoproduktion erlebt tiefsten Einbruch seit 18 Jahren

Berlin (taz) — Auf die deutschen Automobilhersteller kommen nach zwei Boomjahren harte Zeiten zu. Nachdem der Autoabsatz in Westeuropa seit 1990 bereits um rund 20 Prozent abgesackt ist, müssen die einheimischen Autobauer nun auch einen kräftigen Einbruch bei den Neuzulassungen in Deutschland registrieren: In den ersten acht Monaten dieses Jahres wurden im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 11,4 Prozent weniger Personenwagen angemeldet. Selbst in Ostdeutschland, wo die Autofahrer in den vergangenen beiden Jahren maßgeblich zu den heimischen Absatzrekorden beigetragen hatten, ging die Zahl der PKW-Anmeldungen erstmals wieder zurück — um 1,7 Prozent. In den ersten acht Monaten 1992 wurden in Deutschland 3,19 Millionen fabrikneue Automobile zugelassen. 2,77 Millionen davon waren Personenkraftwagen, allein ein Fünftel davon wurde in den neuen Bundesländern gekauft.

In den Industriestaaten ist die Sättigungsgrenze mit den Blechkisten längst erreicht, und weltweit drohen bereits Überkapazitäten. Nach dem Auslaufen der Sonderkonjunktur Deutschland dürfte nun auch in den Vorstandsetagen der satuierten deutschen Autokonzerne Alarmstimmung eingezogen sein. Droht der deutschen Automobilindustrie nun ein ähnliches Desaster wie den US- amerikanischen Autogiganten General Motors, Ford und Chrysler, bei denen seit vergangenem Jahr bereits Massenentlassungen auf der Tagesordnung stehen? Der Straßenfahrzeugbau ist in Westdeutschland mit einem Umsatz von 287 Milliarden Mark der mit Abstand stärkste Wirtschaftsbereich; jeder siebte Arbeitsplatz im Land ist direkt oder indirekt vom Autobau abhängig. Bereits im Frühjahr hatten Volkswagen, Opel und Mercedes Zehntausende von Arbeitsplätzen zur Disposition gestellt — begründet wurde die Stellenstreichung jedoch mit der Schlankheitswelle, mit der sich die Autobauer wieder eine günstigere Kostenstruktur und damit bessere Wettbewerbsaussichten versprechen.

Wie sehr die Autobranche insgesamt in die Klemme geraten ist, belegen auch die jüngsten Zahlen aus Fernost. Japans Autohersteller haben im August wegen der zunehmenden Absatzkrise im eigenen Land den tiefsten Produktionseinbruch seit 18 Jahren erlebt. Ihr Spitzenverband JAMA berichtete gestern, mit 790.678 Personenwagen und Nutzfahrzeugen seien 12,7 Prozent weniger Kraftfahrzeuge hergestellt worden als im Vorjahresmonat. Allein die Produktion von Personenwagen sackte um 11,2 Prozent auf 595.826 Stück ab — der erste zweistellige Rückgang seit mehr als fünf Jahren.

Marktführer Toyota Motor Corp. produzierte im August mit 243.378 Fahrzeugen 12,4 Prozent weniger als im gleichen Monat des Vorjahres. Die Zulassungen in Japan lagen um 14,2 Prozent unter dem August 1991, der Export fiel um 4,6 Prozent. Der angeschlagene Nissan- Konzern, der nach eigenen Angaben das laufende Geschäftsjahr zum ersten Mal mit einem Verlust abschließen wird, verzeichnete in Japan sogar einen Produktionseinbruch um 20,4 Prozent auf 136.301 Fahrzeuge. Die Zulassungen fielen um 25,2 Prozent, die Ausfuhren um 16 Prozent. Nissan, nach Toyota der zweitgrößte Autokonzern des Landes, bezeichnete den Abwärtstrend als geradezu dramatisch. Eine Besserung der Absatzlage ist nach der immer noch opitimistischen Einschätzung der JAMA frühestens zum Jahresende zu erwarten.

In den USA, wo rund zwei Millionen Arbeitsplätze direkt von der Automobilindustrie abhängen, steht den Konzernen schon seit längerem das Wasser bis zum Hals. Zweistellige Verkaufseinbrüche im letzten Jahr hatten die Bilanzen tiefrot eingefärbt: Trotz Einsparungen schlossen die großen Drei GM, Ford und Chrysler das Geschäftsjahr 1991 mit einem Verlust von über fünf Milliarden US-Dollar ab. Der Anpassungsprozeß läßt sich nach Auffassung des Autors der berühmten MIT-Studie, Daniel Jones, nur mit einem lösen: „You need a shock!“ Erwin Single