Späte Hoffnung für NS-Zwangsarbeiter

Bremer Richter spricht sich für Entschädigung aus und verweist Klage an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe/ Bonn verweist auf Londoner Abkommen und spielt auf Zeit  ■ Aus Bremen Jochen Grabler

Gestern fand vor der Zivilkammer des Bremer Landgerichts ein aufsehenerregender Prozeß seinen vorläufigen Abschluß. Drei ehemalige Zwangsarbeiterinnen aus Polen und Rumänien, alle um die siebzig, hatten gegen die Bundesrepublik auf Entschädigung geklagt. Es geht um die nur mehr symbolische Summe von 15.000 Mark. Das erste Verfahren dieser Art geht nun in seiner wesentlichen Entscheidung nach Karlsruhe. Die Verfassungsrichter müssen prüfen, ob die Argumentation der Bundesregierung in Sachen Entschädigung möglicherweise verfassungswidrig ist. „Das ist fast das beste, was für uns herauskommen konnte“, meinte Dieter Dette, der Anwalt der Klägerinnen. „Damit bleibt uns der lange Weg durch die Zivilinstanzen erspart.“

Mit ihrer Überweisung nach Karlsruhe folgten die Bremer Richter ganz der Auffassung der Klageseite. Der Anwalt des Finanzministers, in dessen Ressort die Entschädigung von NS-Opfern fällt, argumentierte vor allem mit außenpolitisch bindenden Verträgen. Nach wie vor gelte das Londoner Schuldenabkommen: Vor jeder individuellen Entschädigung stünde der Zwang zur zwischenstaatlichen Regelung. Und weil mit den ehemaligen Ostblockstaaten kein Reparations- oder Entschädigungsabkommen getroffen worden sei, könnten auch keine zivilrechtlichen Ansprüche gestellt werden.

Im Londoner Abkommen war nach dem Krieg die Zahlung von Entschädigungen gestundet worden, um den Wiederaufbau nicht durch hohe Forderungen von vornherein sinnlos zu machen. Gerade da hakte der Richter ein: Die Bundesregierung könne sich kaum hinter dem Abkommen verstecken. Von einem drohenden Staatsbankrott könne wohl schon seit längerem nicht mehr die Rede sein. Deshalb müsse überprüft werden, ob das Abkommen nicht verfassungswidrig geworden sei. Die Bundesregierung hätte schon längst die Entschädigungsfrage für NS-Opfer aus dem Osten anpacken können, nachdem die Opfer aus dem Westen schon längst entschädigt worden seien, so die Richter.

Eines der drei Verfahren mußte allerdings abgetrennt werden. Der Regierungsanwalt zog überraschend eine Mitteilung des Auswärtigen Amtes aus der Tasche, nach der eine „Stiftung deutsch-polnische Aussöhnung“ gegründet worden sei. Die Bundesregierung habe das Anfangskapital von 500 Millionen Mark beigesteuert. Weder der Klageanwalt noch die Richter oder auch der Regierungsvertreter selbst hatten weitere Informationen. Ein Nachfrage der taz in Bonn ergab, daß die Stiftung im Oktober ihre Arbeit aufnehmen wird. Bei 700.000 noch lebenden polnischen NS-Opfern bliebe allerdings eine einmalige Zahlung von nicht viel mehr als 700 Mark. Die Antragsteller müssen die polnische Staatsbürgerschaft und den ersten Wohnsitz in Polen haben.

Der Anwalt der Zwangsarbeiterinnen kannte diese Art der Bonner Argumentation schon: „Die spielen schon seit 47 Jahren auf Zeit.“