Dem Programmchef in die Eier getreten?

■ Wirrwarr vor Gericht um eine Prügelei zwischen Tierschützern und Journalisten bei Radio Hamburg

bei Radio Hamburg

Die gängige Floskel „Zwei Juristen, drei Meinungen“ konnte gestern vor dem Landgericht um die Variante „Drei JournalistInnen, vier Versionen ein- und desselben Vorfalls“ ergänzt werden. Im zweiten Anlauf sollte geklärt werden, was sich am 6. Dezember 1990 bei Radio Hamburg ereignete. Hat Programmdirektor Thomas Walde die Tierschützerinnen Susan W. und Angelika J. geschlagen, oder ist der leicht aufbrausende Radiomacher selbst ein Opfer der Tierfreundinnen geworden?

Damals war eine Gruppe Tierschützer wegen eines „tierverachtenden“ Pelz-Werbespots mit Transparenten vorm Sender erschienen und hatte Plakate an das gläserne Studio gekleistert. Tenor: „Wo das Geld waltet, wird das Gehirn abgeschaltet — 103.6 auf null schalten.“ Walde hatte daraufhin die „militanten Tierschützer“ aus nächster Nähe fotografiert. Die wiederum empfanden das als Provokation. Als Angelika J. mit der Hand die Kamera beiseite drückte, so ihre Aussage vor Gericht, habe sie von Walde einen „Schlag ins Gesicht“ bekommen. Susan W. will dies gesehen und Walde weggestoßen haben, woraufhin der sich auf sie gestürzt und sie geschlagen habe. Hendrik R. sei den Frauen zur Hilfe gekommen, indem er Walde von hinten von Susan weggezerrt habe.

Anders hingegen Waldes Version: Er habe von Angelika J. von „hinten einen Tritt in die Eier“ bekommen, habe sich umgedreht und „ihr eine geballert“. Daraufhin sei er festgehalten worden, während Susan W. ihn mit ihren „spitzen Cowboystiefelchen“ getreten und mit Fäusten auf ihn eingeschlagen habe. Waldes Angaben sind aber widersprüchlich: Vorm Amtsgericht hatte der Journalist nämlich noch Susan W., „die es am dollsten trieb“, als „Hodentreterin“ identifiziert. Diese Aussage bestritt er gestern.

Wenig Erhellendes hatten auch die beiden Radio-Hamburg-Moderatorinnen Katrin L. und Monika L. — die damals ihrem Chef tatkräftig zur Hilfe geeilt waren und denen der gestrige Zeugenauftritt sichtlich unangenehm war — zur Aufklärung beizutragen. Monika L. glaubt, gesehen zu haben, wie Angelika J. mit Fäusten auf ihren Chef „eingetrommelt“ hat, was nicht einmal Walde bestätigt. Katrin L. wiederum gab an, Hendrik R. habe ihren Chef „hingehalten“, damit Susann W. und andere zuschlagen konnten. Katrin L. zum Gesamtgeschehen: „Wer wie angefangen hat, weiß ich nicht.“

Das Amtsgericht hatte im ersten Verfahren das „Hamburg-Radio- Wirrwarr“ dahingehend sortiert, daß die TierschützerInnen freigesprochen wurden. Die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein. Fortsetzung folgt. Kai von Appen