„Wir sind richtige Raffkes“

■ Jede Baugrube ist für den Grabungstechniker des Landesarchäologen ein Fahrstuhl in die Geschichte

Carl Christian von Fick, Grabungstechniker, Ex-Kumpel, in seinem RevierFoto: Katja Heddinga

Er fährt an keiner Baugrube vorbei, ohne hineinzugucken: Carl Christian von Fick, Grabungstechniker beim Landesarchäologen. So eine Grube ist für ihn ein „Fahrstuhl in die Geschichte“. Tage und Wochen treibt er sich an Baustellen herum, um im rechten Moment zur Stelle zur sein und einen Fund zutage zu fördern. Wie neulich die mittelalterliche Kogge, die er bei Straßenbauarbeiten an der Schlachte entdeckte.

Seit Wochen zieht es Carl Christian von Fick täglich zur Baustelle an der Teerhofbrücke. Denn dort soll ein tiefes Loch gebohrt werden, um die Brücke auf

hier Mann auf Baustelle

sicheren Fundamenten zu bauen. Doch mal hat sich der riesige Bohrer verspätet, mal haben die Bauarbeiter in der Tiefe ein Starkstromkabel entdeckt. Ein Grabungstechniker braucht Geduld.

Und er braucht Glück, die Gunst der Stunde, wie damals mit der Kogge. Vor ein paar Tagen haben die Bauarbeiter an der Teerhofbrücke menschliche Skelette ausgegraben. „Da bin ich leider zu spät gekommen und konnte nicht mehr feststellen, wie die gelegen haben.“ Aber häufig sind auch die Bauarbeiter schon „infiziert“ von seiner Leidenschaft und spähen aus nach Funden, die

für ihn interessant sein könnten. „Ich wecke ihr Interesse, und dann macht das Arbeiten auch sehr viel Spaß.“

Bislang haben die Arbeiten an der Teerhofbrücke für Carl Christian von Fick wenig Interessantes zutage gefördert: Ein paar dicke Holzpfähle, die jetzt auf einem Gelände des Amts für Straßen- und Brückenbau lagern. Wenn er erst die richtige Säge hat, wird Carl Christian von Fick die „Oschis“ zersägen und mittels der Dendrochronologie ihr Alter bestimmen: „Bei Eichen, die in dieser Gegend gewachsen sind, hat jeder Jahresring eine ganz bestimmte Dicke. Ihre Abfolge ergibt ein Diagramm.“ Diese, auch für Bremen gültigen, „Jahresringkalender“ werden in Hamburg und in Hannover geführt.

Bei seinem Besuch entdeckt der Grabungstechniker Markierungen an den Baumstämmen: römische Zahlen sind in das Holz eingeritzt. Er greift zum Fotoapparat und hält die Entdeckung fest. In ein paar Wochen können die Zeichen schon verwittert sein. „Das ist unsere Arbeit: Wir beschreiben, was wir sehen. Den Boden und die Befunde. Dann fotografieren wir alles, und schließlich zeichnen wir es auch nochmal maßstäblich. Bei uns wird alles genau registriert. Damit müssen andere noch in Jahrhunderten was anfangen können. Wir sind richtige Raffkes in punkto Datensammeln.“ Manchmal zieht der Grabungstechniker auch ein „Lackprofil“ von den Erdschichten, bevor der Bagger sie durchwühlt: Von oben bis unten wird eine Erdwand mit Lack getränkt. Wenn die Masse getrocknet ist, kann dier Techniker das Profil „wie einen Teppich“ von der Erde abziehen. „Das ist die einzige Möglichkeiten, Museumsbesuchern die Befunde aus einer Baugrube nahezubringen.“

Früher war Carl Christian von Fick Bergmann in Bottrop. Vor 14 Jahren gelang es ihm, sein Hobby, die Archäologie, in Bremen zum Beruf zu machen. Die Arbeit in unterirdischen dunklen Gängen ist ihm also vertraut. Dennoch findet auch er es manchmal noch „furchtbar eng“ in einer Baugrube, wo außer ihm meist auch noch ein Bagger gräbt. „Im Dunstkreis eines Baggers herumzutanzen, ist eigentlich nicht gestattet, aber manchmal muß man eben direkt ran.“

Von jedem Bauvorhaben kann sich der Landesarchäologe die Akten schicken lassen. Auf ihren Kartenwerken überprüfen die Grabungstechniker, wo Funde zu erwarten sind. „Bei bestimmten Dingen können wir Auflagen machen. Dann darf nur in unserer Anwesenheit gebaggert werden.“ Tut das nicht manchmal weh, wenn Fundstellen zugeschüttet oder überbaut werden? „Weh tut uns nur, wenn große Erdmassen wegtransportiert werden und manches in hunderten von Jahren ganz woanders wiedergefunden wird. Da gerät die ganze Geschichte durcheinander.“

Wenn der Grabungstechniker des Landesarchäologen durch Bremen fährt, interessiert er sich nicht für Karstadt, den Dom oder die Straßenbahnen. „Ich habe das unterirdische Bremen im Kopf.“ Dennoch hat er keine Erwartungen, was er in welcher Baugrube finden könnte: „Wir lassen uns überraschen. Unter der Erde ist es dunkel. Bevor man nicht unten ist, findet man nichts. Wir müssen das bearbeiten, was da ist, nicht herumspinnen.“ Diemut Roether