Klima als Mogelpackung?

■ Besuch aus Amazonien fordert Ergebnisse/ Senat redet am Thema vorbei

Berlin. »Wir wissen, daß die Beschäftigung mit Umweltproblemen und den Indigenas ein Modethema ist«, sagte Evaristo Nugkuag-Ikanan, Präsident der Koordination indianischer Organisationen des Amzonasbeckens (COICA), am Dienstag in Berlin anläßlich eines Empfangs bei Umweltstaatssekretär Wicke (CDU). Dennoch hält der Peruaner das Klimabündnis, dem mittlerweile fast 200 europäische Städte — darunter Berlin — angehören, für sinnvoll. Seine Organisation ist Bündnispartnerin der Städte auf der anderen Seite des Atlantiks. Nugkuag-Ikanan kam im Rahmen des in Frankfurt/Main stattfindenden »Deutschen Umwelttages« nach Berlin, bei dem die Tropenwaldzonen Südamerikas und Südostasiens einen zentralen Punkt einnahmen.

Die Idee des Bündnisses: Zum Erhalt der Atmosphäre müssen sowohl die Regenwälder Amazoniens geschützt, als auch die Emissionen im Norden gesenkt werden. Dementsprechend verpflichtet sich jede beigetretene Stadt, die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2010 um 50 Prozent zu senken und die FCKW-Produktion umgehend zu stoppen.

1990 trat der rot-grüne Senat dem Klimabündnis bei — für die Große Koalition ein ungeliebtes Erbe. Austreten kann der Senat nicht — das wäre das offene Eingeständnis des umweltpolitischen Bankrotts. Die Selbstverpflichtungen zu erfüllen scheint dem Senat aber unmöglich. Mit dem kürzlich vorgelegten Energiekonzept für Gesamt-Berlin wird die Stadt die CO2-Emissionen um höchstens 25 Prozent senken, so die Senatsumweltverwaltung. Allein das koste bereits zwei Milliarden Mark jährlich. »Das wird eine sehr große Anstrengung, wenn wir auch nur das erreichen wollen«, schraubt Staatssekretär Wicke die Erwartungen herunter.

Doch liegt wohl nicht alles nur am Geldmangel. Umweltverbände wie der BUND beklagen, Berlin sei »das schwarze Schaf im Klimabündnis«. Das Energiekonzept enthalte lediglich gute Vorsätze, sage jedoch nichts zur Umsetzung. So fehle die Integration verschiedener Politikfelder. Zwar würden Einsparungen im privaten Energieverbrauch angestrebt, in die Verkehrspolitik hätten diese Kriterien allerdings kaum Eingang gefunden. Verbindliche Richtlinien für ökologisches Bauen gebe es auch nicht. Selbst die 25 Prozent Senkung der CO2-Belastung, so befürchten viele, werde lediglich durch »Zahlenspiele« erreicht. Durch den neuen Großflughafen außerhalb Berlins und die Verlagerung von Industrien ins Umland werde ein Gutteil der Emissionen nicht mehr in Berlin anfallen — eine Mogelpackung.

Die Mitgliedschaft im Klimabündnis droht von der progressiven Selbstverpflichtung zum Alibi zu verkommen. Auch die Vorstellungen zum Schutz des Regenwaldes gehen weit auseinander. Spricht der Vertreter der IndianerInnen bei der gemeinsamen Pressekonferenz vom »Bündnis im Kampf gegen die Politik der Banken, der Multis und der Regierungen«, so möchte Staatssekretär Wicke die »Bevölkerungsexplosion in der Dritten Welt« als eine der Hauptursachen der Regenwaldzerstörung bekämpfen. Bernd Pickert