Staatsaktion um goldenen Füller

■ Zweijährige Fahndung nach den Tätern, die früherem Ostberliner Oberbürgermeister Schwierzina goldenen Füller geklaut haben sollen

Berlin. Die angeblich so überlastete Staatsanwaltschaft scheut bei der Verfolgung von Bagatelldelikten weder Mühen noch Zeit. Seit nunmehr fast zwei Jahren fahndet sie immer noch nach »den Tätern«, die am 23. November 1990 bei der Besetzung des Büros des damaligen Ostberliner Oberbürgermeisters Tino Schwierzina im Roten Rathaus persönliche und offizielle Briefe, einen goldenen Füllfederhalter und 500 Mark geklaut haben sollen. Am vergangenen Montag wurde deshalb eine große Wohngemeinschaft in der Kreuzberger Pfuelstraße 5 von der Polizei im Beisein des Staatsanwalts Elmdust durchsucht. Dieser sorgte nach der ergebnislos verlaufenen Razzia dafür, daß ein Bewohner für eine Nacht in Beugehaft genommen und zu einem Ordungsgeld von 1.000 Mark verdonnert wurde. Der Mann hatte sich geweigert, eine Zeugenaussage zu machen.

Mit der Besetzung von Schwierzinas Büro hatten damals rund 100 Ex- HausbesetzerInnen auf die zuvorgegangene Räumung der Häuser in der Mainzer Straße protestiert. Sie forderten damit die sofortige Einberufung eines »Runden Tisches«, an dem mit Schwierzina und dem damaligen Ostberliner Innenstadtrat Thomas Krüger über die Rückgabe der geräumten Häuser gesprochen werden sollte. Nach einer entsprechenden Zusage räumten sie das Büro anstandslos, doch zu dem zugesagten Dialog kam es nicht. Als Grund führte Tino Schwierzina an, bei der Besetzung des Büros seien aus seinem Aktenköfferchen und einer Schublade 500 Mark, Unterlagen und ein Füllfederhalter entwendet worden. Auch das Angebot des Friedrichshainer PDS-Bezirksverordneten Poutrus, die 500 Mark persönlich zurückzuzahlen, änderte an Schwierzinas Haltung nichts.

Seit nunmehr fast zwei Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft am Landgericht wegen des Diebstahls gegen Unbekannt. Um mögliche Täter zu identifizieren, beschlagnahmte sie diverses Bild- und Filmmaterial von der Bürobesetzung. Weil man damit auch nicht weiterkam, wurde das Verfahren eingestellt, mußte aber auf Anordnung der Staatsanwaltschaft am Kammergericht wieder aufgenommen werden. Justizsprecher Rautenberg begründete dies gestern damit, »man läßt ungern einen Oberbürgermeister beklauen«.

Ob die WG in der Pfuelstraße deshalb durchsucht wurde, weil dort mehrere Ex-Besetzer der Mainzer Straße wohnen, war nicht in Erfahrung zu bringen. Der Landesjugendsprecher der IG Medien, Lars Fischer, der gleichfalls in der Wohngemeinschaft wohnt, protestierte gestern »nachhaltig gegen diese absurde Form der Rachejustiz«. Jugendsenator Krüger (SPD) konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen: »Die Staatsanwaltschaft hat offensichtlich soviel Personal, daß sie sich das leisten kann.« plu