Mit Energie in Richtung Klimakollaps

Weltenergierat definiert Bevölkerungswachstum und Umweltsteuern als Hemmnisse des Fortschritts  ■ Aus Madrid Antje Bauer

„Die Mehrheit der Bevölkerung des Planeten hat nicht genügend Energie“, das ist die Problemanalyse des Weltenergierats, der zur Zeit in Madrid tagt. „Die Energiestrategie muß deshalb auf die Energieversorgung aller Völker ausgerichtet sein“, ist das Fazit, das die Kommission des größten regierungsunabhängigen Zusammenschlusses von Unternehmen aus dem Energiebereich zieht. Tausende von Delegierten der Opec, der IAEA, der Stromkonzerne, Shells und Agips sind angereist, um über die Sicherung der politischen Stabilität zu diskutieren — denn die ist nach ihrer Weltsicht direkt vom Zugriff auf Energie abhängig, weil nur so wirtschaftliche Entwicklung möglich sei. Freilich können die Energielieferanten ihre verantwortungsvolle Aufgabe nicht im notwendigen Maß erfüllen, da gar nicht so schnell Energie bereitzustellen ist, wie sich die Dritte Welt fortpflanzt. So heißt es in dem Bericht der Kommission: Es ist unmöglich, „allen unterentwickelten Ländern bei ihrer galoppierenden Demographie die notwendige Energie zu liefern, es sei denn, die Energiesituation verbessert sich und das Bevölkerungswachstum wird kontrolliert.“ Vorsichtige Fragen eines US-Wissenschaftlers bei einem Round-table- Gespräch, ob bei der Energieversorgung nicht auch die Möglichkeit in Betracht gezogen werden müsse, den Lebensstandard der westlichen Industrienationen zu senken, wurden von Helga Steeg, Direktorin der Internationalen Energieagentur (IEA), mit Verweis auf das übermäßige Bevölkerungswachstum anderswo abgebügelt. Westeuropa werde auf jeden Fall das Ziel der Weltklimakonferenz von Toronto verfehlen, den Kohlendioxid-Ausstoß bis zum Jahr 2005 um 20 Prozent zu senken, hieß es gestern. Der CO2-Ausstoß in Westeuropa werde bis zum Jahr 2000 weiter steigen. Das 20-Prozent-Ziel sei im günstigsten Fall bis zum Jahr 2020 zu erreichen. Aber ein Sprecher der Arbeitsgruppe versuchte sogleich abzuwiegeln: „Die Verringerung des CO2-Ausstoßes ist zweitrangig.“ Wichtiger seien nach wie vor ein sicheres Energieangebot und auch die Verringerung der lokalen Umweltverschmutzung. Weder der Treibhauseffekt noch seine Gefährlichkeit und die Rolle von CO2 als Verursacher seien erwiesen, behauptete er. Es dürfe keine „Politisierung des Themas sowie die zwangsweise Einführung von Maßnahmen“ in Richtung Umweltschutz geben, warnte der Generalsekretär der Opec, Subroto. Auch der Vorschlag der EG-Kommission, Umweltsteuern einzuführen, stößt in Madrid auf einhellige Ablehnung.

Während die Delegierten des Kongresses ihre Pflicht darin sahen, die Welt so lange wie möglich mit gewinnbringenden Mengen an Kohle, Erdöl, Uran und Gas zu versorgen — und zu diesem Zweck den Abbau protektionistischer nationaler Grenzen forderten —, wird den Regierungen nahegelegt, sich um die Entwicklung alternativer Energiequellen zu bemühen: ab 2020 sei mit Verknappungen in bestimmten Energiebereichen zu rechnen.