Amnesty prüft 16E-Übergriffe

■ Mißhandlungen durch Polizisten von Justiz entdeckt? / Süßsaures Polizeilob für "qualifizierte taz-Berichterstattung"

von Justiz gedeckt?/ Süßsaures Polizeilob für »qualifizierte taz-Berichterstattung«

Die Übergriffe gegen Menschen in der Polizeirevierwache16, Lerchenstraße (Schanzenviertel), werden jetzt von der internationalen Menschenrechtsorganisation „Amnesty International“ unter die Lupe genommen. Zu diesem Zweck nimmt die Organisation zu den „Mißhandlungsopfern“ Kontakt auf. Michael C. Butler vom „International Secretariat, Research Department — Europe“ in London: „Wir holen Erkundigungen ein, wie wir das in anderen Fällen auch tun.“

Die Amnesty-Recherchen befassen sich insbesondere mit der berüchtigten „16E-Schicht“. Die Sondertruppe war 1989 im Kampf gegen die autonome Szene um die Rote Flora herum aufgestellt worden. Seitdem hatte es mehrere Opfer in diesem Revier gegeben, im vergangenen Jahr war der 25jähriger Frank Fennel schwer mißhandelt und krankenhausreif geschlagen worden.

Amnesty geht aber nicht nur den Einzelfällen nach, sondern prüft auch die Frage, ob die Hamburger Staatsanwaltschaft die Machenschaften von Prügelpolizisten deckt. Butler: „Wir wollen recherchieren, ob der Vorwurf stimmt, daß die Behörden nicht mit der notwendigen Entschlossenheit den Vorwürfen nachgehen.“ Denn daß bislang alle über 80 Strafermittlungsverfahren gegen Polizisten der Wache mit einer Einstellung des Verfahrens endeten, da angeblich niemand überführt werden konnte, kommt Amnesty merkwürdig vor.

Daß die hanseatische Polizei und Justiz wegen Menschenrechtsverletzungen ins Visier gerät, ist kein alltäglicher Vorgang. Denn die Bundesrepublik gehört zu den sogenannten „Nichtverfolgerstaaten“, Länder, in denen keine Menschen gefoltert oder mißhandelt werden. Allerdings werden die Haftbedingungen der politischen Gefangenen von der Menschenrechtsorganisation angeprangert.

Die Staatsanwaltschaft wurde von der Nachricht der Amnesty- Recherchen überrascht. Sprecher Rüdiger Bagger: „Ich kann dazu wenig sagen.“ Wenn die Menschenrechtsorganisation aber Ermittlungen wegen „Strafvereitelung“ gegen die Anklagebehörde anstelle, werde sich seine Behörde „kooperativ“ zeigen. Bagger: „Wir werden Amnesty entsprechende Informationen übergeben.“ Bagger sieht den Ermittlungen mit Gelassenheit entgegen: „Wir haben nichts zu verbergen. Außerdem befinden wir uns in bester Gesellschaft mit dem Hanseatischen Oberlandesgericht.“ Denn dieses Gericht hatte — sofern gegen eine Einstellungsverfügung Widerspruch eingelegt worden war — im Gegensatz zu den Zivilgerichten

stets das Nicht-Vorgehen der Staatsanwaltschaft gegen die Polizisten gerechtfertigt.

Die Innenbehörde hält sich bedeckt. Sprecher Peter Kelch: „Wir nehmen das zur Kenntnis.“ Kelch findet es allerdings auch „überraschend und ungewöhnlich“, daß die

Polizei ins Amnesty-Visier geraten ist. Kelch doppeldeutig: „Wenn dem die qualifizierte taz-Berichterstattung zugrunde liegt, ist das nicht weiter verwunderlich.“

Im vergangenen Jahr war aufgeflogen, daß der Hamburger Staatsschutz die hiesige Amnesty-Sektion

bespitzelt und Dateien angelegt hatte, was der Datenschutzbeauftragte später unterbinden konnte. Offensichtlich wollte die Geheimpolizei über derartige Vorgänge, wie sie sich jetzt anbahnen, schon im Vorwege informiert werden.

Kai von Appen