Tagesthemen für unglückliche Menschen

■ n-tv startet planmäßig am 30. November

Neben dem Westschienenkanal VOX ist n-tv der zweite Sender, der die Republik mit Nachrichten versorgen will, vorausgesetzt, der Berliner Kabelrat stimmt dem zu. Noch hat n-tv keine Sendelizenz. Trotzdem ist sich Geschäftsführer Karl- Ulrich Kuhlo (einst Chefredakteur von Sat.1) sicher, daß er am 30.AKZENT F1November, vier Wochen vor VOX, von der „heißen Vorbereitungsphase“ ins kalte Wasser springen kann.

Vom Beschluß der Landesmedienanstalten, neue TV-Sender so lange nicht zuzulassen, bis deren eventuell unzulässige finanzielle Verflechtungen durchleuchtet sind, sei n-tv nicht betroffen, da hier „kein deutscher Medienkonzern beteiligt ist“, gab Kuhlo vorgestern in Berlin bekannt, als der Nachrichtensender n-tv sein Programmkonzept vorstellte.

Neben Kuhlo (11 Prozent) ist der amerikanische Medienkonzern Time Warner, der vor kurzem seine Anteile bei VOX aufgekündigt hat, mit 27,1 Prozent Hauptgesellschafter von n-tv. Die Beteiligung der französischen Rothschild-Gruppe (9,3 Prozent) und vor allem der Londoner Abschreibungsgesellschaft East German Investment Trust (26,9 Prozent) haben in der Vergangenheit Vermutungen genährt, n-tv sei ebenfalls ein Abschreibungsprojekt. Daß die n-tv-Strategen, bei einer geschätzten Reichweite von nur ein Prozent, bereits 1994 mit Gewinnen rechnen, gab den Spekulationen Nahrung.

Dagegen spricht mittlerweile eine durchaus überzeugende und im Vergleich zu VOX schlüssige Programmkonzeption. Kein Infotainment, keine Gameshows oder Soap- operas: Zur vollen Stunde sendet n-tv einen Nachrichtenüberblick von zwölf Minuten, zur halben Stunde sechs Minuten Nachrichten und zu jeder Viertelstunde einminütige Schlagzeilen. Gefüllt wird das Newsgerippe mit Reportagen, Studiogesprächen und Berichten.

Der Tag beginnt mit der mittlerweile schon obligatorischen Früh- Info (6 bis 9 Uhr), bei „dem die Pfunde, mit denen wir wuchern, deutlich werden“: Wirtschaftsberichterstattung aus Frankfurt, Regierungsberichterstattung aus Bonn und Liveberichterstattung des zehnköpfigen Reporterteams, das mittels Satellit News Gathering (fünf mobile Übertragungseinheiten) binnen kurzem zu jedem Brennpunkt gelangen kann.

Die redaktionelle Mannschaft ist fast komplett und kommt zum überwiegenden Teil von den öffentlich- rechtlichen Anstalten. Insgesamt werden rund 240 Mitarbeiter für n-tv arbeiten, davon 110 in der Redaktion. Zwischen 9 und 10 Uhr sowie 16 und 17 Uhr sind „ausführliche Studiogespräche“ geplant, die in verdaubarer, aber „nahrhafter Häppchenform serviert“ werden sollen. Zwichen 10 und 11 sowie 14 und 15 Uhr ist Platz für Buntes und Skurriles, Mode, Gesellschaft, Wissenschaft und Technik. Im weiteren Verlauf wird der „Nachrichtentag weitergedreht“. Für eine Stunde am Nachmittag wird n-tv international, wobei „wir mit n-tv-Reportern im ersten Geschäftsjahr sparsam im Ausland vertreten sein“ werden, gesteht Chefredakteur Peter Staisch.

Am Abend, zu Zeiten der traditionellen Nachrichtensendungen von ARD und ZDF, setzt n-tv auf den „unglücklichen Menschen, der die Tagesthemen verpaßt hat“. Der braucht dann in Zukunft nicht mehr uninformiert schlafen zu gehen. Besonders stolz sind die n-tv-Macher, daß ihre Werbeblöcke „programmverträglich plaziert“ und nicht länger als eine Minute (VOX: 2 bis 3) sein werden. Dafür wird das Programm bis zu achtmal pro Stunde von einem Kurzwerbeblock unterbrochen. Ilona Marenbach