PRESS-SCHLAG
: Aufruhr in der Bundesliga

■ Ein Gespenst geht um im deutschen Fußball

Otto Rehhagel beginnt in Bremen langsam zu zittern, Eberhard Vogels Schlaf in Hannover ist nicht mehr der beste, Werner Fuchs bekommt in Braunschweig zunehmend graue Haare und sogar Ottmar Hitzfeld in Dortmund fühlt sich nicht ganz wohl in seiner Haut. Ein Bazillus geht um im deutschen Fußball und treibt den Trainern Angstschweiß auf die Stirn. Von Norden her breitet er sich langsam gen Süden aus, Revolution heißt die Devise, die Spieler proben den Aufstand. Hamburg ist fest in den Händen der Insurgenten und es ist nur eine Frage der Zeit, wann die nächsten Köpfe rollen.

Mit Robespierrescher Radikalität entledigten sich die Hamburger Traditionsvereine HSV und FC St.Pauli handstreichartig ihrer Übungsleiter und setzten damit den Funken des Aufruhrs in die Fußballwelt. Kurioserweise handelten die Spieler dabei ganz entgegen ihrer eigentlichen Vereinstradition. Während die als bieder berüchtigten Akteure des bürgerlichen Nobelclubs HSV, angeführt vom marxistisch-leninistisch geschulten Ex-Dynamo Frank Rohde, in offener antiautoritärer Revolte ihren zweibeinigen Schleifstein Egon Coordes stürzten, rebellierten die Hafenstraßen-Kicker vom Millerntor ausgerechnet gegen den Freigeist und taz-Kolumnisten Michael Lorkowski — just weil dieser sie zu sozialer Verantwortung anhalten wollte. Nach 4:12 Punkten in Folge hatte Lorkowski von den Profis verlangt, daß sie ihre Auflaufprämien bei Niederlage oder Unentschieden einer caritativen Einrichtung spenden sollten. Nur die Spieler Surmann und Schwinckendorf waren zur sozialen Tat bereit, der Rest mochte den Enteignungsversuch von oben nicht dulden und muckte auf. Kapitän Peter Knäbel: „Wir konnten uns vom Trainer nicht erpressen lassen.“ Lorkowski wurde gestürzt.

Der Hamburger Balltreteraufstand von 1992 ist ein leuchtendes Beispiel fußballerischer Selbstverwirklichung und sollte die Profikicker dazu ermuntern, ihre Geschicke endlich in die eigenen Hände und Füße zu nehmen. Schon grassieren die ersten kämpferischen Parolen im Lande. „Den Ball denen, die ihn treten“, heißt es da voller Aufmüpfigkeit, „Verlängerung ist Lohnraub“, „Schampus in der Halbzeitpause“ und natürlich „Trainerfrage ist Spielersache“. In Köln soll sich bereits eine „Bergerwehr“ gegründet haben. Augenzeugen berichten, daß sie die Kölner Spieler auf dem höchsten Gipfel des Siebengebirges beobachtet hätten, wie sie dem entlassungsbedrohten Trainer Jörg Berger unverbrüchliche Treue schworen. Exakte Pläne seien ausgearbeitet worden, im Ernstfall die Präsidiumsmitglieder als Geiseln zu nehmen und Berger an einen geheimen Ort im Untergrund zu schaffen, von wo aus er über ein ausgeklügeltes Kommunikationssystem die jeweilige Mannschaftsauftstellung an Kapitän Pierre Littbarski übermitteln kann.

Schalker Spieler sollen in den vergangenen Tagen heimlich Kurse an der Sporthochschule Köln besucht haben, um für den Fall gewappnet zu sein, daß Coach Udo Lattek überhaupt nicht mehr mit ihnen redet. Am letzten Samstag hatte der Versuch Latteks, die Fußballer ihre Taktik gegen den 1.FC Nürnberg selbst wählen zu lassen, bekanntlich mit einem Fiasko geendet. Die Schalker hatten gespielt wie immer.

Eine zugespitzte Lage entwickelt sich in Mönchengladbach, wo die Mannschaft zwischen Trainer Jürgen Gelsdorf und Manager Rolf Rüßmann hin- und hergerissen ist und unter der Hand bereits von einem erbitterten Kampf zwischen Jakobinern und Girondisten geredet wird. Der Bürgerkrieg steht vor dem Bökelberg. Mannschaftskapitän Holger Fach düster: „Das gibt ein Blutbad.“

Guter Dinge ist man allein noch in München. „Revolution“, grinst Uli Hoeneß, „das Wort kennt hier keiner.“ Was der Bayern-Manager allerdings nicht ahnt: Gefahr droht von ganz anderer Seite. Die Missionierungskampagne des gläubigen Christen Jorginho stößt auf äußerst fruchtbaren Boden und eine Gruppe von Spielern plant bereits die Wiedereinführung der Inquisition. Ein Pranger für Uli Hoeneß, Trainer Erich Ribbeck und Lothar Matthäus wurde für den Fall weiterer Punktverluste schon bei einem ortsansässigen Schreiner in Auftrag gegeben. Matti