Gesetzlich bereinigtes Unrecht?

Die SPD verweigert dem sogenannten Unrechtsbereinigungsgesetz im Bundesrat das Ja  ■ Von Julia Albrecht

Berlin (taz) — Für zu Unrecht erlittene Haft- oder Psychiatrieaufenthalte in der DDR sollen die Opfer eine Entschädigung erhalten. Dies regelt das sogenannte 1. Unrechtsbereinigungsgesetz (UBG). Der Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat beschloß am Mittwoch, die Entschädigung um 100 Mark auf 550 Mark je Haftmonat zu erhöhen. Dies gilt allerdings nur für diejenigen, die bis zur Wende in der DDR gelebt haben. Alle anderen erhalten nach wie vor lediglich 300 Mark. Personen, die von bundesrepublikanischen Gerichten irrtümlich inhaftiert werden, erhalten dagegen 600 Mark pro Monat. Dem Beschluß des Vermittlungsausschusses ist gestern der Bundestag gefolgt.

Auch die Kostenverteilung zwischen Bund und Ländern wurde vom Vermittlungsausschuß geändert und vom Bundestag bestätigt. Der Bund soll 65 Prozent der Kosten tragen, während der bisherige Entwurf die gleiche Verteilung zwischen Bund und Ländern vorsah. Heute wird das Gesetz im Bundesrat beraten. Seine Zustimmung ist fraglich. Die SPD, die dort die Mehrheit bildet, fordert nämlich eine Entschädigungshöhe von 600 Mark und eine Aufteilung zwischen Bund und Ländern von 75 zu 25 Prozent.

Die betroffenen Personengruppen, die sich größtenteils in "Opferorganisationen" zusammengeschlossen haben, sind empört darüber, daß das Gesetz den Bereich des sogenannten Verwaltungsunrechts nicht regelt: Personen, die aus politischen Gründen nicht studieren durften oder den Arbeitsplatz verloren haben, erhalten keine Entschädigung. Wer das Pech hatte, im Grenzstreifen zu wohnen und deshalb zwangsumgesiedelt wurde, geht leer aus. Menschen, vor allem Frauen, die kurz nach dem Krieg von der Roten Armee aufgegriffen und in die Sowjetunion verschleppt wurden und dort Zwangsarbeit leisten mußten, bekommen keinen roten Heller.

Die nicht bedachten Personengruppen sollen jetzt nach einem weiteren Gesetz entschädigt werden können. Die Initiative für das sogenannte 2.UBG, das bisher lediglich in einem Referentenentwurf vorliegt, hatte noch der ehemalige Justizminister Kinkel ergriffen. Er war auf die gravierenden Mängel des 1. Gesetzes durch die Proteste der Organisationen aufmerksam geworden.

Die Verbände und das Bündnis 90 befürchten jedoch, daß das 2. UBG, sollte es je verabschiedet werden, in seiner praktischen Anwendung versagen wird: nur solche Personen könnten auf Entschädigung hoffen, die durch eine hoheitliche Maßnahme in Rechten verletzt wurden, die mit den „tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates unvereinbar“ sind. Mit dieser schwammigen Formulierung allerdings ist von vornherein unklar, wann ein Entschädigungsgrund vorliegt.

Der juristische Grund für die Minimalregelungen ist der Artikel 17 des Einigungsvertrages. Danach sollen lediglich „...die Opfer einer politisch motivierten Strafverfolgungsmaßnahme oder sonst einer rechtsstaats- und verfassungswidrigen gerichtlichen Entscheidung...“ entschädigt werden. Von einer Entschädigung für Personen, die mittels Verwaltungsbescheid aus Ausbildung oder Beruf drangsaliert wurden, ist im Einigungsvertrag gar nicht die Rede.