Der Edelrost in der Musik

■ Eröffnung der Japan-Tage von Dacapo, Galerie Rabus und Radio Bremen

Machen Sie sich auf etwas gefaßt. Die Japan-Tage beginnen in der Galerie Rabus. Einen kleinen, wenn auch sehr komprimierten Eindruck dessen, was auf uns zukommt, bot am Donnerstag der Kölner Musik-Ethnologe Robert Günther. Von Ma sprach der Herr mit dem schlohweißen Bart, von Wabi und Sabi, und er vergaß auch nicht Yoin zu erwähnen. Aber keine Angst, der Professor wollte keinen neuen Schwellenängste aufbauen, er erzählte eloquent und wissend vom Wesen der traditionellen japanischen Musik und ihren Einflüssen auf die kontemporäre Kunst.

Japanische Musik klingt für ungeübte Ohren zunächst einmal höchst ungewöhnlich, das machten seine Ton- und Videobeispiele deutlich. Dissonant, melodie- entleert, beinahe kratzig wirkten Biwa, eine Knickhalslaute oder die S'–o, eine Wölbbrett-Zither. Doch, und da wurde Herr Günther ganz weich in der Stimme, nach einigen Momenten der Gewöhnung, einer Phase des Besinnens, können auch wir einsinken in die fremden Töne. Und wirklich: Der kehlig gutturale Gesang Frau Junko Uedas vom Band in Verbindung mit ihrer Biwa machten merkwürdige Gefühle frei. Etwas zwischen innerer Ruhe und dem Gleiten auf Gleisen fühlte zumindest ich. Ich befand mich auf einer tonalen Reise, ohne erkennbares Ziel, aber gefangen von den strukturellen Grenzen des Stücks.

Es wäre fatal, die traditionelle japanische Musik als Pling- Plong-Geklimper abzutun, denn dafür steckt zuviel Sinn darin. Ma, die Kunst der Pause zum Beispiel, macht die Sinne frei, wenn Töne leise abklingen, in der Unendlichkeit verschwinden, und die Leere bleibt. Das kommt daher, daß Saiteninstrumente nicht gestrichen, sondern gerissen werden, also nicht nachklingen. Beim Hip-Hop oder den Wildecker Herzbuben kommt so etwas nicht vor.

Yoin, die Harmonie, korrespondiert unmittelbar damit. Aus einem akustischen Ereignis wird ein Nicht-Ereignis, eine wohldurchdachte Balance von Ton und Stille. Nicht einmal rein muß der Klang sein, die Kunst des Spiels liegt im Wabi, der Einfachheit und des Sich-selbst-Genügens sowie im Sabi. Da läßt der Künstler es auch zu, daß Töne unrein klingen, ohne daß der Ursprung verloren geht. „Das ist musikalische Patina, eine Art von Edelrost“, sagte Robert Günther.

Gibt es nun Melodien, Kantilenen in der japanischen Musik? Aber ja, von den Blasinstrumenten zum Beispiel. Doch Gassenhauer zum Mitsingen ––––a la „Blau, blau, blau blüht der...“ finden wir nicht, Akkorde fehlen vollständig. Es handelt sich eher um Cluster, also Tonwallungen. Und Mitsingen gibt's schon gar nicht, das Publikum bleibt stumm und applaudiert nicht. Dafür erhält es aber nach dem Konzert kleine, nett verpackte Geschenke, als Dank für's Kommen.

Es braucht keinen Mut, um am Sonntag abend, 18 Uhr, zunächst Tosiya Suzuki an den Blockflöten und danach Junko Ueda-San mit der Biwa und dem Shomyo-Gesang zuzuhören. Nur ein wenig Spaß am Neuen. Vielleicht gibt's ja auch ein Päckchen. Jürgen Francke