»Ich passe in keine Kategorie«

■ Ein Weltstar ohne Geburtdatum: Eartha Kitt gastiert am Wochenende in der Hochschule der Künste.

Bevor ich sie persönlich kennenlernte, war sie für mich »Frau c'est si bon«, eine lebensbejahende, ziemlich unkritische Musical- und Cabaret-Amerikanerin »made in Paris«, eine kapriziöse Femme fatale, ein mondän schnurrendes, kaviar- und champagnerverwöhntes Sofakätzchen. Der musikalische Direktor vom Theater des Westens, Klarinettist Rolf Kühn, bringt mich zu ihrer Garderobe. In dem winzigen, weiß möblierten Raum sitzt sie vor dem Spiegel, ganz in schwarz gehüllt, und wirft Nahrungsbrocken in einen Freßnapf, aufgeregt beobachtet von einem schwarzen Pudel ... Eartha Kitt.

Rolf Kühn zeigt ihr eine Muster-CD der neuesten Kitt/Kühn-Produktion. Sie rümpft die Nase: »Das ist ein schlechtes Foto von mir. Das muß verschwinden, und das Papier ist lausig.«

»Ist in Israel produziert«, merkt Kühn an. Ihre Augen leuchten auf: »Warum gerade dort, wo es den Palästinensern so schlecht geht?« Doch sofort wieder ganz alltagsbezogen ist sie zu einer späteren Fotosession mit anschließendem Gespräch bereit. »Aber halt, lies das mal vorher«, sie gibt mir ihre 1989 erschienenen Autobiographie »I'm still here«. »Meine Privatnummer hast du. Bis dann. Jetzt kriegt der Hund erst mal zu fressen.« Damit ist unser erster Treff aus der Sicht des Weltstars beendet.

In der Berliner Niederlassung des französischen Musikkonzerns fnac signierte Eartha Kitt am 23. Dezember 1991 ihre neue CD »Thinking Jazz«. Das wiederum hatte einen nicht ganz ungefähren Grund. In Paris nämlich feierte die Kitt ihre ersten Triumphe, blieb von 1949-51 an der Seine und startete von hier aus ihre atemberaubende Solokarriere, die der Sängerin, Tänzerin und Schauspielerin Weltruhm bescherte. In Paris lernte sie das High-Life kennen und damit auch den Botschafter der Dominikanischen Republik und Playboy Rubirosa.

Tatsächlich ist Eartha Kitts Kindheit nicht gerade behütet. Früh verwaist, lebt sie jahrelang von Küchenabfällen. »Sozialhilfe oder -unterstützung in dieser Zeit hat's für mich nie gegeben, hätte ich als Luxus gefeiert... und damals in Paris angekommen, ging's mir nicht gerade rosig. Zuerst hab' ich oft für ein, zwei Sandwiches in den Nachtcafés gesungen — und bin wohl heimlich mitgeschnitten worden. So erscheinen auch heute noch manipulierte Produktionen, die ich nie aufgenommen habe. Rubirosa, mir gegenüber immer Gentleman, ja, der hat mich später in die feinen Klubs eingeführt, Kaviar und Champagner auffahren lassen. Klar hat es mir genützt, daß ich so internationale High-Life- Leute kennenlernte, die mich weiterempfahlen. Nach Jimmy hast du mich gefragt? Ja, uns verband eine innige, tiefe Freundschaft. Wir waren so was wie Seelengeschwister.« Nach ihrer Rückkehr in die USA lernte Eartha Kitt James Dean bei Ballettkursen kennen. Dean, der bis zu seinem großen Karrieresprung auch als Strichjunge arbeitete, verschaffte er ihr die künstlerische Akzeptanz in Schwulenkreisen, die nur mit der Zarah Leanders zu vergleichen ist? »Ich kann mir diese Beliebtheit bis heute nicht erklären«, versichert Eartha Kitt. »Aber was heißt das schon? Genausowenig hätte ich je gedacht, ein ‘politischer Fall‚ zu werden.«

1968, zur Prominentenparty ins Weiße Haus geladen, forderte Eartha Kitt gegenüber Lady Bird Johnson eine Beendigung des Vietnamkrieges und schlägt statt dessen vor, Armut und Bildungselend im eigenen Land zu bekämpfen. Darauf folgt ein jahrelanger US-Bühnenboykott, dem sie nur mit beständigen Auslandsauftritten begegnen kann. Besonders jedoch Europa empfängt die schwarze Künstlerin »mit gelblichem Glanz auf der Haut«, der ihr im miefigen US-Süden den Schimpfnamen »Yella Gal« einbrachte, wieder mit offenen Armen. Auch nach 1978 erfolgter offizieller Aussöhnung mit dem Weißen Haus ist der etwa 65jährige Weltstar »ohne Geburtsurkunde« immer noch hochbegehrt auf den Bühnen des alten Kontinents.

»Als ich ans Theater des Westens verpflichtet wurde, Rolf Kühn und seinen Bruder Joachim kennenlernte, beschlossen wir, eine CD zu machen, die auch Jazzelemente haben sollte.« So kamen sechs Standards dieses Genres, wie »Night 'n Day« oder »Tenderly« auf Rille, aber ebenso Kompositionen von Kitt und den Kühn-Brüdern. »Eine reinblütige Jazzsängerin bin ich nie gewesen, möchte ich niemals sein und deshalb auch nicht mit Billie Holiday oder Ella verglichen werden.« Deshalb völlig folgerichtig heißt diese Produktion auch nur »Thinking Jazz«. »Ich lasse mich nicht festlegen, passe in keine Kategorie und fühle mich immer noch als geborene Künstlerin.« Hansdieter Grünfeld

Am 26. und 27.9. tritt Eartha Kitt mit der Joachim-Kühn-Band in der Hochschule der Künste ab 20 Uhr auf. Im Gegensatz zu der Produktion Thinking Jazz sind hier weder Klarinettist Rolf Kühn noch Europas bester Schlagzeuger Daniel Humair mit dabei.