INTERVIEW
: „Zum Generalstreik aufrufen kann ich nicht“

■ Die stellvertretende Vorsitzende des DGB, Ursula Engelen-Kefer, nimmt Stellung zu der Forderung nach einem Kurzstreik gegen ausländerfeindlichen Terror

taz: Frau Engelen-Kefer, die internationale Liga für Menschenrechte in Berlin hat die Einzelgewerkschaften und den DGB aufgefordert, ihre Mitglieder zu einer zehnminütigen Arbeitsniederlegung zu mobilisieren, um damit ein Zeichen gegen den ausländerfeindlichen Terror zu setzen. Warum reagiert der DGB darauf so zögerlich?

Ursula Engelen-Kefer: Zunächst einmal ist unsere rechtliche Situation eindeutig: Arbeitsniederlegungen oder Streiks aus politisch motivierten Gründen sind nicht zulässig. Von seiten des DGB kann hier also nichts vorgegeben werden. Eine andere Sache sind spontane Arbeitsniederlungen, die in einzelnen Betrieben durchgeführt werden.

Auch während der Hochphase der Friedensbewegung gab es bundesweite symbolische Arbeitsniederlegungen. Es geht also doch.

Das gab es. Fünf Minuten Pause sind auch machbar, ohne in größere rechtliche Schwierigkeiten zu kommen.

Dann könnte man es doch auch heute machen?

Wenn das spontan in einzelnen Betrieben passiert, ist das eine andere Sache, als wenn der DGB dazu aufruft. Entscheidend ist bei einer solchen Frage im übrigen die Sicht der Mitgliedsgewerkschaften — nicht die des DGB- Vorstandes.

Was tut der DGB?

Wir sind dabei, unsere Aktionen gegen den Ausländerhaß zu intensivieren. Wir haben in dieser Woche die „Woche des ausländischen Arbeitnehmers“, und daran beteiligen wir uns in vielfältiger Weise. Wir versuchen dabei immer wieder deutlich zu machen, daß es einen engen Zusammenhang gibt zwischen der Zustimmung zu den ausländerfeindlichen Übergriffen in Teilen der Bevölkerung und der generellen wirtschaftlichen und sozialen Situation, die die Menschen zur Resignation führt und rechten Bauernfängern in die Arme treibt. Darauf weisen wir auch bei verschiedenen Demonstrationen am heutigen Samstag hin. Wir wenden uns dabei einerseits gegen den geplanten Sozialabbau durch die Bundesregierung, und zum andern fordern wir alle Arbeitnehmer auf, sich dem Fremdenhaß entgegenzustellen. Wir sehen, daß wir hier eine wichtige Aufklärungsaufgabe haben und setzen auch in unserer Bildungsarbeit einen entsprechenden Schwerpunkt.

Sind jetzt von seiten der Gewerkschaften nicht viel massivere Aktionen erforderlich? Etwa wie in Schweden, wo es im Frühjahr nach der Ermordung eines Ausländers einen Generalstreik gab?

Wir haben jetzt zu verschiedenen Demonstrationen mobilisiert. Das ist der erste Schritt, aber wir behalten uns weitere Schritte vor. Nur, jetzt zum Generalstreik aufrufen, das kann ich nicht. Man kann ja im Augenblick auch nicht sagen, daß der nationale Notstand ausgebrochen ist, obwohl wir eine verheerende Situation haben. Weitere Schritte können deshalb von unserer Seite sehr bald nötig sein. Wir demonstrieren jetzt, um das Übel an der Wurzel anzupacken. Es geht darum, die unsoziale Regierungspolitik zu beenden und aus dem Versagen in der Frage der Ausländerpolitik Konsequenzen zu ziehen. Es kommt darauf an, die politischen Profilierungskämpfe um die Asylpolitik zu beenden und die praktischen Probleme zu lösen. Asylbewerber müssen vernünftig untergebracht werden, die Beschleunigung der Verfahren muß endlich durchgesetzt werden, und wir brauchen ein Einwanderungsgesetz. Interview: Walter Jakobs