■ Gedenkfeier provoziert harsche Kritik aus dem Ausland
: „Deutschland feiert Hitlers Rakete“

Bonn/London (dpa/AP) — Ungeachtet der heftigen Kritik aus dem Ausland will die deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie an der „Gedenkfeier zum ersten Abschuß einer deutschen Rakete vor 50 Jahren vom Entwicklungszentrum Peenemünde festhalten.

„Wir feiern nicht die Geburt einer Wunderwaffe, auch nicht einer Kriegswaffe“, sagte am Samstag der Sprecher des Bundesverbandes der Luftfahrt-, Raumfahrt- und Ausrüstungsindustrie (BDLI), Folkhard Oelwein, in Bonn. Man wolle vielmehr mit der Erinnerung „an den ersten Schuß an die Geburtsstunde einer Technik erinnern, die heute noch Basis für die bemannte wie unbemannte Raumfahrt“ sei.

Die Feier am 3. Oktober: „50 Jahre Raumfahrt — Erbe, Verpflichtung, Perspektive“, steht unter der Schirmherrschaft des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundeswirtschaftsministerium, Erich Riedl (CSU). Peenemünde war in der Hitler-Zeit das deutsche Raketenentwicklungszentrum. Am 3. Oktober 1942 war dort erfolgreich eine A4-Rakete gestartet worden, ein Vorläufermodell der deutschen V2-Rakete. Diese wurde zwei Jahre später bei massiven Raketenangriffen auf London eingesetzt, die erhebliche Opfer in der Zivilbevölkerung forderten. Auf die Frage, ob die Einladung nicht geradezu Mißverständnisse provoziere, sagte Oelwein: Das „mag sein“. Man werde dies aber bei den Reden klarstellen.

Harsche Kritik an der Veranstaltung war vor allem aus Großbritannien und Italien gekommen. „Ich finde das unerhört. Ich erinnere mich selbst an die V2- Angriffe, sie waren fürchterlich. Das wird das Verhältnis zwischen unseren beiden Ländern unnötig belasten“, sagte der konservative Abgeordnete Harry Greeway am Samstag in London.

Der konservative Unterhausabgeordnete Winston Churchill, ein Enkel des gleichnamigen britischen Kriegspremiers, sagte, wenn deutsche Regierungsvertreter an dem Festakt teilnähmen, sollte London protestieren. „Ich vermag nicht zu glauben, daß die Deutschen eine solche Feier veranstalten wollen, besonders angesichts der Tatsache, daß die Waffe unter Einsatz von Zwangsarbeitern gebaut wurde, von denen Tausende dabei umkamen, und daß Zehntausende von Menschen beim Einsatz der Raketen den Tod fanden“, sagte er. Der Labour-Abgeordnete David Winnick nannte es empörend, eine Massenvernichtungswaffe zu feiern. „Was werden die Deutschen als nächstes feiern?“ fragte er. „Wir hatten angenommen, daß der deutsche Staatsapparat sich seit 1945 völlig von der Nazityrannei distanziert habe. Man fragt sich, wie er rechtfertigen will, was er jetzt vorhat.“ Die Londoner Times berichtete über die Affäre am Samstag auf der Titelseite, begleitet von zwei Karikaturen, die einen Mann und eine Frau, ängstlich zum Himmel spähend, zeigen. Die Unterschriften lauten „V 2 (1942)“ und „DM (1992)“.

„Wir wünschten uns, daß diese Nachricht so schnell wie möglich dementiert wird“, schrieb der in Mailand erscheinende Corriere della Sera. Die Zeitung erinnert in diesem Zusammenhang an neonazistische Ausschreitungen in Deutschland. Auch andere italienische Zeitungen berichten über die geplanten Feiern am 3. Oktober in Peenemünde auf ihren Titelseiten: „Deutschland feiert Hitlers Rakete“, heißt es in der römischen Repubblica. Dies werde, so meint die Zeitung, die Feindseligkeit zwischen Bonn und London verschärfen. Die Turiner Zeitung La Stampa schreibt, die Feiern fielen in eine Periode, „in der alte Gespenster wieder belebt werden“.