■ Glotztüte
: Zurück zur Null

„Wetten daß...“ sa., ZDF,

20.15 Uhr.

Ja, er war aufgeregt. Aber das waren wir auch. Und dann kam doch alles ganz anders. Vom prasselnden Applaus der Bremerhavener empfangen, standen dem Gottschalk-Nachfolger von Anfang an die Tränen der Rührung in den Augen. Und auch unsere Augen begannen rasch zu tränen.

Wolfgang Lippert ist ein ganz eigenes Kaliber. Eine wirkliche Neuheit in der deutschen Fernsehunterhaltung, die an peinlichen Charakteren noch nie arm war. Politikergrau sein Anzug, unkontrolliert sein Hyänenlachen, so tappte er bemitleidenswert kurzsichtig durch den Saal. Jeder Kandidat war witziger als der neue Showmaster. Seinen Gästen reichte er Smarties, die ebenfalls cleverer waren als er. Seine Show entfaltete sich zu einem schrillen Kindergeburtstag mit abschließendem Huckepack-Wettlauf. Lippert war glücklich. „Ich bin ein richtiger Depp“, bekannte er strahlend.

So soll es sein. Keine Hemmungen mehr. Zurück zum Wesentlichen. Zurück zur Null. Und alle waren begeistert. Die Les Humphries Singers entstiegen dem Trockeneis der siebziger Jahre und heizten dem Saal so richtig ein. Als die Feuerwehr Sassenberg ein kleines rotes Auto drei Meter hochpumpte, klatschte auch Minister Möllemann klatschte begeistert in die Hände.

Die blinde Annette tastete Münzen aus aller Herren Länder ab, worauf der Showmaster seine behinderte Mitbürgerin ohne falsche Scheu umhalste. Thomas trug ein Klavier die Treppe hoch und spielte fehlerfrei eine Bach-Toccata. Deutsche Kraft und deutscher Geist in drei Minuten vereint. Und als die Wattfischer ihre Hymne „Wat wärn wir ohne Wattwürmer“ darboten, hopste unser Klassenclown Lippert vollends entfesselt über die Bühne. Das Publikum raste. Wer sich so rückhaltlos zum Gespött der Leute macht, muß entweder völlig krank sein oder sehr gut bezahlt werden. Oder beides.

Viele Showmaster sind vor unseren Augen vorbeigezogen. Keiner hat uns von Beginn an so in Bann geschlagen, so überwältigt wie Wolfgang Lippert. Er offenbart uns eine neue Dimension der Unterhaltung. Mit „Wetten daß“ hat er die Leistungsschau der deutschen Unterhaltung in die Finger bekommen, und es wird ihm naturgemäß keine Schwierigkeiten bereiten, sie in kürzester Zeit völlig zu ruinieren. Auf Null zu schrauben. Damit wir endlich ausschalten können. Olga O'Groschen